HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Factory Outlet Center oder der Wunderbrunnen

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Der Jahreswechsel ist auch eine Zeit des Rückblicks.

Vor 10 Jahren wurde die Errichtung eines großen Verkaufszentrums für Werkverkäufe, – Factory Outlet Center, FOC- in Remsfeld diskutiert. 450 Arbeitsplätze sollten dadurch entstehen und Kunden aus einem weiten Umkreis anlocken. Davon erhoffte man sich auch eine Belebung für den Homberger Einzelhandel.

Die HNA schrieb am 28. 10. 2006:

"Knüllwald. Bognerbrille und Armani-Anzug zum Billigtarif am Rande des Knülls: Es gibt wieder Hoffnung für ein Factory Outlet Center (FOC) im Remsfelder Gewerbegebiet."

 

Diese Träumereien veranlassten mich damals, das Märchen vom Wunderbrunnen zu verfassen.

 

Der Wunderbrunnen
Ein Märchen aus neuerer Zeit

Märchen erzählen von vergangenen Zeiten.
Nur selten hat man das Glück dabei zu sein,
wenn ein neues Märchen anfängt.
In Homberg an der Märchenstraße kann man
diesem seltenen Ereignis jetzt beiwohnen.
Eines Tages wird man erzählen:

Und es begab sich zu der Zeit, dass ein junger, tatkräftiger Bürgermeister mit goldenen Fädchen im Haar unerschrocken die Geschicke der Stadt in die Hand nahm. Eine blühende Stadt sollte Homberg wieder werden. Ihm zu Seite standen die Recken in ihren schwarzen Gewändern. Nichts konnte sie in ihrem unerschütterlichen Glauben beirren, kein Wort drang zu ihnen durch, das sie hätte zögern und sinnen lassen. Ihnen zur Seite stand die kleine Schar der Stadtgarde in ihrem goldbestickten königsblauen Wams. Unerschrocken schritten sie zur Tat.

Ach, die Stadtkasse war leer. Weiteres Ungemach stellte sich ihnen entgegen, die Menge der Kleingeister mit ihren roten und grünen Kappen. Mit spitzem Stift wollten sie zu rechnen anfangen, verlangten gar, dass man sie in das Geheimnis des Geldes einweihe. Weiß man doch seit alters her, dass das große Werk nur gelingen kann, wenn das geheime Wissen gehütet wird, soll es seine Kraft behalten für das wundertätige Wirken. Unbeirrt setzten sich die schwarzen Recken mit der blaugoldenen Garde über das Gezeter hinweg, blieben wehr- und standhaft und begannen das Werk.

Schmücken und zieren wollen sie die Mitte der Stadt, auf dass alle Welt komme, staune und Geld dalasse. Ein liebliches Mariengärtchen sollte auf den Kirchplatz erblühen, auf den Markt das Wasser munter plätschern. Ein Denkmal von der Lehre der Mehrung des Wohlstandes, über das überall im Lande gepredigt wurde, wollen sie errichten. Zu Ehren der Lehre vom Füttern der Spatzen, in der es heißt, man muss den Pferden mehr Hafer geben, dann findet die schilpende Spatzenschar auch mehr Körner in den Pferdeäpfeln. Vor dem Rathaus wollten sie einen lauschigen Brunnenhof mit Pergola bauen mit rankenden Rosen daran. Beim sprudelnden Wasser aus dem Brunnen ist Arkadien nah. So träumten sie.

Doch ach, eines hatte die tapfere Schar übersehen. Einen geheimen Wunsch, der in ihrem Inneren schlummerte, hatten sie nach außen dringen lassen, er fand Gehör und wurde wahr. Klein war die Unachtsamkeit, doch groß die Folge. Im Osten, unweit vor den Toren der Stadt, entstand das prächtige Hessen-Village, das sie sich so gewünscht hatten. Es war schöner und prächtiger, vor allem aber neuer als die alte Stadt am Berg. Und was es da alles gab. Aus aller Herren Länder waren die Waren wohlfeil ausgebreitet. Speise und Trank wurde reichlich geboten. Das sprach sich im Lande herum, und die Leute kamen von weit her. Die Menschen kauften was sie begehrten und oft noch etwas mehr.

Unterdessen war es in der schön geschmückten Stadt am Berg ruhig geworden. Die Spatzen suchten pickend in den Pflasterritzen nach Futter, die Tauben gurrten auf den Dächern der leer stehenden Häuser. Die Turmfalken kreisten und hielten Ausschau nach einem Täubchen für ihr Mahl. Die wenigen Zurückgeblieben gingen zu der Homberger Tafel, um dort aus mildtätigen Händen zu empfangen, was in dem strahlenden Hessen-Village an Brosamen übrig geblieben war.

So ging die Zeit dahin. Eines Abends saß ein junges Mädchen im Hessen-Village gelangweilt von der Bilderscheibe mit dem Paradies vom Südmeer und sah zur Seite durch eines der wenigen Fenster hinaus gen Westen, wo sich die Sonne senkte und die Strahlen geradewegs durch das Fenster schickte.

Am Horizont sah sie – wie ein Scherenschnitt – einen Berg mit Burg und einer mächtigen Kirche davor, umstrahlt von einem warmen Rot der sich langsam senkenden Sonne. Sie fühlte sich wie verzaubert, dort musste sie hin. Sofort brach sie wie gebannt auf. Sie war des Gehens ungeübt und war erschöpft und durstig, als sie den Marktplatz der Stadt erreicht. Wie schon in früheren Zeiten, so fand auch sie keine offene Tür einer Wirtsstube, wo sie hätte einkehren und ihren Durst löschen können. Froh war sie, als sie den Brunnen vor dem Rathaus unter den wuchernden Rosen entdeckte. Schon nach den ersten Schlucken war ihr seltsam zumute. Wie kraftvoll sie sich plötzlich fühlte, wie tatkräftig. Sie konnte es kaum glauben. Und was war da so schwer an ihrer Seite? Ihr kleiner Geldbeutel fühlte sich so schwer an. Sie machte ihn auf und sie kam nicht aus dem Staunen heraus, er war bis zum Rand gefüllt. Schnell lief sie los, um noch vor der Nacht zurück zu sein. Sie ging jetzt jeden Tag an den Brunnen und kam mit gefülltem Geldbeutel heim. Dank des wundertätigen Trankes bereitete der Weg ihr gar keine Mühe mehr.

Erst war es die Mutter, dann der Vater, dem sie sich mit dem Erlebten anvertraute. Auf Dauer konnte es nicht unbemerkt bleiben. Schnell machte es die Runde. Und es verging kein Jahr und immer mehr Menschen strömten in die Stadt, um von dem Wasser am Rathaus zu trinken und ihren Geldbeutel füllen zu lassen. In den Häusern rundum entstanden prächtige Geschäfte, wo man für das Geld vom Brunnen unbeschwert einkaufen konnte. Es waren schon fast zu viele, die in die kleine Stadt drängten. Man fand kaum noch Platz, wo man seinen Wagen abstellen konnte, erste Klagen gab es schon.

Da kam dem Bürgermeister eine Idee, wo man die vielen Wagen in der Mitte der Stadt noch hinstellen könnte. Die große Marienkirche war ihm vor Augen. Wie viel Platz gab es da, wie wenig wurde für den Gottesdienst gebraucht. Er war ganz aufgeregt. Hatte nicht der Landesherr davon gesprochen, Altes umzunutzen, die Stadt umzubauen? So kam es, dass in den luftigen Höhen des Kirchenschiffes Decken eingezogen wurden und von der Bergseite eine Rampe errichtet wurde. Über die konnte man nun direkt hineinfahren und seinen Wagen abstellen. Unbeschwert konnte man sich in die lange Schlange vor dem wundertätigen Brunnen einreihen.

Die Jahre waren ins Land gegangen, die Goldfädchen auf dem Haupt des Bürgermeisters hatten sich in silberne gewandelt, ein Zeichen seiner Bescheidenheit. Für seine Freude reichten Ihm seine Bildnisse, die sich Woche für Woche auf den bedruckten Blättern der Stadt fanden und von immer neunen Wohltaten erzählten. Hin und wieder lenkte er seinen Wagen durch die Menge, hielt seine kleine Sprechmuschel ans Ohr und verkündete aller Welt von dem Wunder von Homberg.

Und wenn der Brunnen nicht versiegt ist, dann sprudelt er noch heute.

Nun wissen wir auch, warum die leere
Stadtkasse den Bürgermeister und seine
Recken niemals schrecken konnten,
er wusste um das wundertätige Wasser
unter der Stadt, wie alle seine Kumpanen
im Land auch sonst
um Honigtöpfe und Vermächtnisse
.

20.11.2006 Delf Schnappauf

 


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