HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Spielhallengesetz: Wie in Homberg mit der Präventionsabsicht umgegangen wird

 


Bei dem Thema Spielhallen wird deutlich, wie gearbeitet und ablenkt wird, um am Ende die Interessen von Dritten zu fördern – gegen die Interessen der Stadt.

 

 

 

 

Die Glücksspielautomaten fördern Spielsucht

Die Caritas schreibt:

„Glücksspielsüchtige Menschen sind überwiegend junge Männer mit niedrigem Bildungsstand, häufig mit Migrationshintergrund. Über 70 % der Klienten in den hessischen Beratungsstellen sind erwerbstätig, 43 % leben mit Partnern und teilweise mit Kindern zusammen . Sie sind also tragende Säulen der Gesellschaft.“

„Die Folgen sind dramatisch: soziale Isolation, Vernachlässigung aller anderen Lebensinhalte (Selbstversorgung, Arbeit, Partnerschaft, Familie, …), des Weiteren eine zunehmende Verschuldung. Die Schulden unserer Klienten betragen aktuell durchschnittlich 20.000  -30.000 Euro, Spitzenwerte bis zu 85.000 Euro. Der hohe Geldbeschaffungsdruck führt nicht selten zu kriminellen Handlungen (Diebstahl, Betrug etc.) mit entsprechenden sozialen und strafrechtlichen Folgen.“

„Das anfänglich persönliche Problem des Glücksspielens zieht große soziale Folgekosten für die Gesellschaft nach sich.“

„Das Automatenspiel ist die Glücksspielform mit dem höchsten Suchtrisiko.“


Hessen hat 2012 ein Spielhallengesetz erlassen, welches das Angebot an Spielhallen einschränken soll. Zusätzliche Bestimmungen dienen dem Spieler- und Jugendschutz.

Dieses Gesetz war bis Ende Juni 2017 gültig, es sollte durch ein neues Gesetz ersetzt werden. Im Juni 2017 wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt. Am 7. September 2017 gab es eine Anhörung zu dem Entwurf, zu dem alle von dem Gesetz Betroffenen Stellungnahmen vorlegten. Von der Suchtberatung, den Kommunen und ihren Verbänden, den Kirchen, der Automatenindustrie bis zum Verband der Autohöfe.

Damit wurden die gegensätzlichen Interessen deutlich. Auf der einen Seite die Institutionen, die das Glückspiel mit den negativen Folgen für die Gesellschaft eindämmen wollen. Auf der anderen Seite Spielhallenbetreiber und Automatenhersteller, die damit Geld verdienen wollen. Selbst die Autohöfe argumentieren, damit würden auch die Lkw-Parkplätze an der Autobahn mit finanziert, sie bräuchten deshalb die Einnahmen aus den Spielhallen.

Die Kommunen und ihre Verbände stehen dazwischen. Sie habe die Pflicht, den einzelnen Bürger vor den negativen Folgen der Spielsucht zu schützen um präventiv zu wirken, nicht nur Spielsüchtige, sondern auch gefährdete Jugendliche. Staat und Kommunen haben auch die Gesamtgesellschaft vor den Folgekosten zu schützen. Andererseits profitieren sie aber von den Einnahmen.

Folgekosten der Spielsucht

In Hessen wird von 34.000 pathologischen Glücksspielenden ausgegangen. Nach wissenschaftlich fundierten Schätzungen sind dabei jeweils 15 weitere Personen involviert, wie Familien und Arbeitskollegen. 510.000 Menschen sind in Hessen indirekt vom Glücksspiel und den Folgen betroffen, schreibt die AWO. Die Tendenz ist steigend.

Die Hessische Landesstelle für Suchtfragen geht von 6,6 Mrd. Euro Folgekosten aus und schreibt:

„Hinzu kommen Kosten für Strafverfahren und Strafvollzug, Behandlungs- und Therapiekosten, Kosten durch Arbeitsausfälle, Hilfen zum Lebensunterhalt für Betroffene und deren Angehörige. Wenn all diese durch eine Glücksspielsucht bedingten Folgen und die sozialen Kosten berücksichtigt werden, ergeben sich nach einer aktuellen gesundheitsökonomischen Analyse volkswirtschaftliche Kosten von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr.“

„Von 2006 bis 2016 hat sich die Anzahl der Geldspielautomaten in hessischen Spielhallen von 5.152 auf 11.922 und damit um 131 % erhöht."

„In Spielhallen und in gastronomischen Betrieben können Vermögenswerte verspielt werden mit weitreichenden negativen Konsequenzen für die Betroffenen und deren soziales Umfeld. Dies zeigt ein Feldversuch, in dem ein Testspieler den durchschnittlichen Nettolohn eines Arbeitnehmers in Höhe von 1.450 Euro innerhalb von 5 Stunden und 37 Minuten in einer Spielhalle verspielte. „

„Glücksspielabhängigkeit ist seit 2002 als Krankheit anerkannt und etwa 80 Prozent der Betroffenen sind vom Automaten-Geldspiel abhängig.“ Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen


Das Gesetz in der Diskussion


Nur eine Spielhalle je 20.000 Einwohner

Das alte wie das neue Spielhallengesetz wollen das Angebot an Spielstätten einschränken, um zu verhindern, dass junge Menschen zu Spielern und später zu Spielsüchtigen werden.

Bereits 2011 haben die Grünen in Hessen gefordert, die Zahl der Spielhallen von der Höhe der Einwohner abhängig zu machen. Nur eine Spielhalle ab je 20.000 Einwohner. Die Katholischen Bischöfe unterstützen diese Forderung auch weiterhin.
Homberg hat bei 13.900 Einwohnern drei Spielhallen, eine direkt gegenüber der katholischen Kirche, eine gegenüber der Schule und eine in der Tankanlage in Lützelwig.

300 Meter Abstand Luftlinie zwischen den Spielhallen

Mit Abstandsregelungen zwischen den Spielhallen soll eine Ballung an bestimmten Orten verhindert werden. 300 Meter Abstand Luftlinie von einem Eingang bis zum Eingang der nächsten Spielhalle soll nicht unterschritten werden. Von verschiedenen Seiten wurden ein Abstand von 500 Meter vorgeschlagen.

Der Abstand zwischen den Eingängen der Spielhallen in der Ziegenhainer Straße und der Kasseler Straße beträgt 240 Meter. Der Magistrat hat eine Bebauungsplanänderung durchgesetzt, die dazu führen soll, dass die Spielhalle in der Ziegenhainer Straße etwas verlegt wird, damit der Abstand von 300 Metern zwischen den beiden Spielhallen eingehalten wird. Aber auch an dem vorgesehenen neuen Standort liegt die Spielhalle noch gegenüber der Schule.

Mit 500 Meter Abstand weniger Spielhallen auf der Fläche

Die Landesstelle für Suchtfragen fordert 500 Meter Abstand zwischen den Spielhallen und argumentiert: Bei 300 Meter Abstand können auf einem Quadratkilometer 9 Spielhallen betrieben werden. Bei 500 Meter Abstand nur 5 Spielhallen. Das würde die Zielrichtung des Gesetzes unterstützen das Angebot zu reduzieren.

Neu im Gesetz: 300 Meter Abstand zu Schulen anderen Einrichtungen für die Jugend.

„Mit der Aufnahme eines Mindestabstandes von 500 m zu Jugendeinrichtungen (§ 2 Abs. 3 E-HSpielhG) misst auch der hessische Gesetzgeber dem Jugendschutz im Sinne einer Vorbeugung von Glücksspielsucht und der Verhinderung einer Allgegenwärtigkeit von Glücksspielangeboten im Alltag und besonders beim Automatenspiel hohe Bedeutung bei. Bisherige Studien zur Entstehung von pathologischem Spielverhalten unterstützen derartige Annahmen. Auch Entscheidungen der obersten Gerichte tragen auf diese Argumentationen gestützte Regelungen anderer Bundesländer.“
Hessischer Städtetag

Die Forderung nach 500 Meter Abstand wurde auch von der SPD und vom Wirtschaftsminister gefordert. Beschlossen wurde im Dezember 2017 nur der 300-Meter-Abstand.

Geldnachschub für die Spieler

Der Hessische Städte- und Gemeindebund thematisiert den Geldnachschub für die Spieler. Geldautomaten dürfen nicht leicht erreichbar sein.

„Soweit § 5 Abs. 3 HSpielhG in der Form ergänzt wird, dass nicht nur im, sondern auch im unmittelbaren Außenbereich beispielsweise keine Geldautomaten aufgestellt werden dürfen, ist dies ausdrücklich zu unterstützen. Die Beratungspraxis hat gezeigt, dass aufgrund der derzeitigen Regelung und der kreativen Gestaltung der Spielhallenbetreiber nach wie vor Geldautomaten in unmittelbarer Nähe zu Spielhallen, zum Teil in der Außenwand selbst angebracht wurden. Da somit allerdings ein ständiger Geldnachschub für die Spieler möglich ist, ist damit dem Sinn des Spielhallengesetzes nicht ausreichend Rechnung getragen worden.“

In Homberg liegen auf dem Weg zwischen den beiden Spielhallen gleich zwei Geldinstitute mit jederzeit öffentlich zugänglichen Geldautomaten, bei denen die Spielsüchtigen Geld nachholen können.
 

Wie wird in Homberg mit dem Gesetz umgegangen?

In Homberg wurden gerade drei Bebauungspläne beschlossen, mit denen Spielhallen in der Altstadt und in der Freiheit ausgeschlossen werden. Mit dem dritten Plan wurde der Standort in der Ziegenhainer Straße und die Bebauung auf dem Grundstück dort als „Kerngebiet“ nach der Baunutzungsverordnung ausgewiesen, in dem Vergnügungsstätten erlaubt sind.

In den drei Bereichen wären nach dem Gesetz, wie es seit Frühjahr 2017 diskutiert wurde und seit Dezember 2107 in Kraft ist, überhaupt keine Spielhallen zulässig, weil die Abstandsregelungen zu Jugendeinrichtungen das ausgeschlossen hätte.

Bürgermeister Dr. Ritz argumentierte, die Spielhallen hätten 15 Jahre Bestandsschutz.
Die bisherigen Konzessionen waren aber nur bis 2017 gültig und mussten neu beantragt werden. Die neuen Konzessionen wurden 2017 erteilt. Schon nach dem alten Spielhallengesetz hätten die Konzessionen nicht verlängert werden dürfen, denn die Spielhallen lagen mit 240 Meter Abstand zu nah beieinander.

#  Es bleibt zu prüfen, wann geanu die Konzession erteilt wurde.
#  Welche Kriterien wurden für die Entscheidung angewendet?
#  Wurde rechtmäßig nach formalem Recht gehandelt?
 

Moralisches Versagen

Der Bürgermeister hat die Zielrichtung des Gesetzes nicht befolgt, die das Angebot reduzieren will um damit der Spielsucht entgegenzuwirken. Er hat mit seiner Konzessionsvergabe akzeptiert, dass in Homberg keine Prävention gegen die Ausbreitung der Spielsucht aufgebaut wird.

Vermutlich wurde das Geld gesehen, das durch die Spielgerätesteuer der Stadt zufließt, die Folgekosten der Spielsucht für die Familien und für die Gesellschaft anscheinend nicht.

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