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70 Jahre Grundgesetz – Ein Leserbrief zum kommunalen Engagement

 
Landrat Winfried Becker gab der HNA ein Interview aus Anlass dieses Jahrestages.

Es wurde unter der Überschrift "Verantwortung fürs Gemeinwohl" am 29.08.2019 in der HNA veröffentlicht. Becker beklagte das geringe Engagement der Bürger. Dazu formulierte ich die Erfahrungen im ehrenamtlichen Engagement in der Lokalpolitik aus den Jahren seit 2001.

 

Landrat Winfried Becker beklagte in einem Interview aus Anlass des 70-jährigen Bestehens des Grundgesetzes, dass „das ehrenamtliche Engagement in der Kommunalpolitik zunehmend schwerer fällt.“

 
Wenn Ehrenamtliche im Ortsbeirat von der Stadt keine Informationen erhalten, selbst wenn sie nachfragen, dann ist es nicht verwunderlich, dass sie als Ortsbeirat geschlossen ihre Ämter nieder legen, wie in Homberg geschehen.

Wenn bei der Bürgerbeteiligung die Bürger in allen Arbeitsgruppen fordern, die alten Bäume einer grünen Oase in der Stadt zu erhalten und sie bekommen zu hören, dass das nicht zu den Plänen des Investors passt, dann lernen die Bürger welche Stimme mehr zählt. Sie lernen, dass die Bürgerbeteiligung nur ein demokratisches Mäntelchen ist.

Wenn Bürger über ein großes riskantes Grundstücksgeschäft der Stadt besorgt sind und deshalb 2000 Bürger in einem Bürgerbegehren fordern, die Bürger über den Kauf selbst abstimmen zu lassen, dann erfahren sie, wie von Parteivertretern mit fadenscheinigen Argumenten das Bürgerbegehren als ungültig abgelehnt wird. Die Klage dagegen liegt seit sieben Jahren beim Verwaltungsgericht in Kassel – unbearbeitet. Die Bürger lernen, dass der im Grundgesetz garantierte Rechtsweg faktisch schon lange nicht mehr garantiert ist.

Die Bürger lernen an praktischen Beispielen, wie die Staatsanwaltschaft von der Politik gesteuert wird. Rechtsbrüche und Verfehlungen werden dann nicht verfolgt oder auf die lange Bank geschoben, wenn sie die Politiker stören. Inzwischen hat auch der Europäische Gerichtshof diese Weisungsgebundenheit der  deutschen Staatsanwaltschaft als Mangel festgestellt.

 

Die Bürger haben das berechtigte Gefühl, dass sie dagegen ohnmächtig sind. Ihr Engagement ist nur gefragt, wenn sie still die aufgerissenen Löcher der Politik füllen.
Ein politisches Engagement für wahrheitsgemäße Bürgerinformation,  demokratische Meinungsbildung und offenen Austausch von Argumenten wird erfolgreich von denen verhindert, die ihre Machtposition verteidigen.
Die Bürger reagieren darauf mit Rückzug und Resignation, was sich in der Wahlbeteiligung abzeichnet. Oder ihre stille Wut wächst an und sucht sich ein Ventil. Die Antidemokraten in den Parteien, den Ämtern und Gemeindevertretungen haben über Jahre schleichend die Demokratie untergraben und ausgehöhlt.
Sie haben
den Boden bereitet, auf dem der rechte Populismus gut gedeiht.

 

Der Leserbrief wurde am 5.9.2019 in der HNA veröffentlicht.
Die kursiven und unterstrichenen Teile wurden nicht in der Veröffentlichung übernommen.

 

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Kommentare sind deaktiviert Empfänger "70 Jahre Grundgesetz – Ein Leserbrief zum kommunalen Engagement"

#1 Kommentar von Wähler am 2019 September 5 00000009 8:36 pm 156771221708Do, 05 Sep 2019 20:36:57 +0100

Mit Besorgnis nehme ich zur Kenntnis, dass es im Politikbetrieb, angefangen in Homberg und vielen anderen Kommunen, über die Länder bis in die Bundeshauptstadt, seit längerer Zeit erheblich knirscht.

Die Parteien, ihre führenden Repräsentanten und Entscheidungsträger, haben sich schleichend von der Wähler-/Bürgerschaft entfernt. 

Inzwischen ist das Geschrei groß. Die SPD liegt am Boden, die CDU ist auf dem besten Weg dorthin. Die SPD setzt nun auf ein neues Führungsduo an der Parteispitze.

Wer will noch mal, wer hat noch nicht (…)

AKK versucht es derweil mit einem Aufsatz, um den Wählerschwund für ihre Partei zu stoppen. 

Wie lange steht die CDU schon in der Regierungsverantwortung?  

Nein, die Wähler sind nicht so unbedarft, wie mancher Parteifunktionär glauben mag. 

Die hohe Wahlbeteiligung in Sachsen und Brandenburg lässt vermuten, dass die Bürger "da sind", wenn es gilt, die Demokratie zu verteidigen. Die Politik muss sich wieder verstärkt am Bürger ausrichten und nicht umgekehrt.

Nehmen wir die Politik in Homberg: wer weiß schon, für welche Ziele die einzelnen Parteien stehen. Noch nicht einmal die Bündnis/Grünen werden ihrer Kernkompetenz gerecht. Kein Wort war über diverse Baumfällungen zu hören….

Ist es nicht so, dass die Lenker der großen Homberger Parteien die Wähler in Wahlkampfzeiten umgarnen und nach den Wahlen in den alten Trott verfallen?

Der rechte Populismus hat viele Ursachen. Den Hauptnährboden hat meines Erachtens Frau Dr. Merkel mit dem Satz "Wir schaffen das" bereitet. 

Nach wie vor muss die Hilfe für Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte selbstverständlich sein!

Die offenen Grenzen zur ungehinderten Einreise ohne jegliche Registrierung waren für mich ein unverzeihlicher Fehler.

Guten Abend.