HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

„Homberg als Wiege der Reformation“

 

Einige Fakten zur Reformation – anstatt nur Mythen

Extra-Tip-Entdeckertage: In Homberg findet eine Veranstaltung statt:

"Am Freitag, 23. und Samstag, 24. Juni 2017 präsentieren sich die Homberger Schulen auf dem Homberger Marktplatz."

"Es wird Luther-Brot gebacken, Bibeltexte mit einer alten Druckerpresse gedruckt, Bücher gebunden und vieles mehr."

Wieder stellt sich die Stadt voller Stolz als Reformationsstadt dar. Was es alles ohne Homberg nicht gegeben hätte: Universität Marburg, Landeswohlfahrtsverband, Bildung für alle, Krankenhäuser, soziale Daseinsfürsorge.
Ex-Bürgermeister Martin Wagner hatte auch noch die Klöster aufgeführt, die ohne Homberg nicht möglich gewesen wären – immerhin wurde jetzt wenigstens das weggelassen.

Geschichte wird von den Siegern geschrieben
Diese alte Erkenntnis wird hier noch einmal deutlich. Die Stadt und ihr Bürgermeister stellt sich auf die Seite derjenigen, die den Mythos um die Reformation pflegen, die historischen Fakten verbiegen oder verschweigen.
Nachdem die Trennung von Staat und Kirche gilt, hätte auch die Stadt die Pflicht, die Geschichte von allen Seiten zu betrachten. Da die Stadt dazu nicht willens oder fähig zu sein scheint, hier einige Aspekte:

Universität Marburg
Universitäten gab es schon vor der Reformation. Luther selbst war an der Universität Erfurt gewesen. In dieser Zeit wurden in Deutschland mehrere Universitäten gegründet. Die Marburger Universität wurde als erste "evangelische" Universität in dem Gebäude des Dominikanerklosters in Marburg gegründet.
Die Besonderheit war hier: Durch die Auflösung des Klosters in Marburg war es eine besonders billige Variante.

Die oben aufgeführten  "Wohltaten" der Reformation beruhen auf der Beschlagnahme der reichen Klöster mit ihrer Ökonomie. Der Reichtum der Kirche stach den deutschen Fürsten schon länger ins Auge. Durch die Reformation fühlten sie sich legitimiert, die "Antichristen" aus den Klöstern zu werfen und sich die reichen Klöster anzueignen. In der alten Aula der Universität Marburg zeigt ein großes Wandbild, wie die Dominikaner ihr Kloster "übergeben". War das wirklich eine freudige Übergabe, wie sie gegen 1907 beschönigend dargestellt wurde?  Die Konfiszierung der Klöster ist eher als staatlich legitimierter Raubzug zu beschreiben. Die "Altgläubigen" hatten berechtigte Angst, denn sie galten als Papstanhänger und damit waren damit "Antichristen". Auf diese Bedrohungslage wies der Historiker Jacob Burckhardt hin:

"In den Zeiten des Übergangs kamen die rohen Gewalttaten gegen Priester und dergleichen vor." Jacob Burckhardt, Historische Fragmente, S. 140

"Den Regierungen aber lag an den Kirchengütern und an der Machtsteigerung, und mir ihrem "quos ego" mussten sie Staatskirchen schaffen, aus welchen das Volk, und nota bene auch die Geistlichkeit , nicht mehr hinaus durfte, während man dem Adel mannigfach Teilnahme am Raube gönnte." Jacob Burckhardt, aaO. S. 142

"Er [Luther] lehrt, die Regierungen aber greifen zu. Denn die standen von Anfang an daneben und zogen die Kirchengüter ein, an welchen ihnen mehr als an aller Rechtfertigung und Seligkeit gelegen war." Jacob Burckhardt, aaO.  S. 144

"Allumfassend" ist der Wortsinn von Universität. Eine "evangelische" Universität ist eine Universität, die nur in eine bestimmte Richtung lehren will. Es war damit eine Universität, die einer Ideologie diente und nicht allumfassend war.

"Gewissensfreiheit" und Verfolgung anderer Christen
Die Lutherbotschafterin Margot Käßmann sagt:

"In Fragen des Glaubens und des Gewissen ist jeder Mensch frei. Er [Luther] hat den Weg bereitet dafür, dass jeder Mensch Gewissensfreiheit hat in unserem Land. Du kannst glauben, nicht glauben, anders glauben. Das war ein großer Wurf." Quelle

Eine gewagte These, die von der Geschichte widerlegt wurde. Die Menschen durften nur das glauben, was der Landesfürst erlaubte, sie mussten das glauben, was von ihnen verlangt wurde, nur so glauben, wie Luther die Bibel auslegte. Die Täufer zum Beispiel, die sich als Christen verstanden, wurden verfolgt, genauso wie die altgläubigen Christen, die später als katholisch bezeichnet wurden. Nur vor dem Hintergrund der Bedrohung ist die "Übergabe" der Klöster durch die Mönche zu verstehen.

Krankenhäuser und soziale Daseinsfürsorge

"Die Reformatoren sahen  dann bald ein, was mit der kirchlichen Übung der Almosen verloren gegangen war, und schrieben dann Programme zur öffentlichen Wohltätigkeit." Jacob Burckhardt, Historische Fragmente, Nördlingen 1988, S. 132

Auch Krankenhäuser gab es vor der Reformation. Erinnert sei an Elisabeth von Thüringen, die sich in Marburgs Hospital der Krankenpflege widmete.

In den Klöstern des Mittelalters waren nicht nur Mönche, sondern auch viele Menschen, die in den Wirtschaftseinrichtungen ihren sozialen Lebensmittelpunkt fanden. So zum Beispiel die nicht erbberechtigten Kinder, die keinen Hof erhielten. Für sie war das Kloster die damalige Form der sozialen Daseinsvorsorge.

Mit der Auflösung der Klöster fiel diese Form weg, es musste neue Einrichtungen aufgebaut werden.

Bildung für alle
"Bildung für alle" wird ebenfalls auf der Positivseite der Homberger Synode und die Reformation aufgeführt. Mit der Reformation hat das wenig zu tun.

Lesen und Schreiben wurde zu einer notwendigen Fähigkeit durch die Ausbreitung des Handels und der Geldwirtschaft, die sich in dieser Zeit entwickelte. Zur Zeit, als Luther nach der Legende seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche annagelte, konnte nur ca. ein Drittel der Bevölkerung lesen. Des Lateinischen war wiederum nur ein Bruchteil davon fähig. Die 95 Thesen in lateinischer Sprache waren nicht für die Bürger, sondern für die kleine Zahl des Klerus gedacht, der diese Sprache beherrschte.

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