HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

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Abel Beckers Leben im Pfarrhaus Wernswig


 

… wie es sein Nachbar Kurt Steinbrecher erzählte

  

Abel Becker (1860-1942)  war Pfarrer in Wernswig von 1910 bis 1927. Er verfasste die Chronik von Wernswig, wie vorher schon die von Netra, wo er von 1886-1910 das Pfarramt versah.

Abel Becker wurde in Appenfeld als Lehrersohn geboren. Von dort ging er zu Fuß nach Hersfeld in die Schule.

Seine erste Frau stammte aus einer reichen Kasseler Familie, dem Bankhaus Schirmer. Sie war sehr sozial eingestellt und es wird vermutet, dass sie sich bei einem Krankenbesuch infiziert hat, denn sie starb sehr jung. In Netra wurde sie begraben. Ein schwarzer Marmorgrabstein schmückte ihr Grab. Er stand noch bis 1997 etwas versteckt da. Die Familie Nachbar aus Niedervorschütz hat mit Einwilligung der noch lebenden Cousine von Abel Becker den Stein nach Niedervorschütz geholt und umgearbeitet.

Geschwister von Abel Becker: Eine Schwester heiratete in einen Hof in Niedervorschütz ein, ein Bruder wurde Oberstudienrat.

Wohl schon in Netra nahm Abel Becker eine Haushälterin, die Försterstochter Fräulein Reiter. Sie kam auch mit nach Wernswig ins Pfarrhaus. Abel Becker war besorgt, dass er früher sterben könnte als sie und dass dann nicht für sie gesorgt wäre, deshalb  heiratete er sie. Sie starb aber vor ihm an einem Herzschlag. Morgens ging sie nach unten zum Waschen, auf dem Weg zurück setzte sie sich auf einen Stuhl, der in der Ecke auf dem Treppenpodest stand. Dort fand man sie kurz darauf tot.

Nachdem Abel Becker in den Ruhestand trat, wohnte er bei einer Pfarrerfamile Eisenberg in Kassel (Kirchditmold, wahrscheinlich Stahlbergstraße 4).

Er wurde auf dem Friedhof in Niedervorschütz beigesetzt.

Der Grabstein wurde vom Friedhof in Niedervorschütz verlegt und steht jetzt an der Kirchenmauer in Niedervorschütz.

 
Gemeindeleben

In der Kirche war die Pfennig-Kollekte für die eigene Gemeinde bestimmt. Abel Becker schickte sie aber mit der anderen Kollekte nach Kassel. Der Vater von Herrn Steinbrecher, Herr Vonhold und Herr Rompf protestierten dagegen, da es auch in der Gemeinde drei alte mittellose Frauen gab, die es zu unterstützen galt. Die eine wohnte im Haus oberhalb vom Gasthof Stemmler (das Haus steht nicht mehr, vermutlich stand es an der Stelle, an der jetzt der Platz neben dem Gasthof Stemmler liegt). In dem Haus der alten Frau war auch früher eine Gaststätte.
   

Alltagsleben im Pfarrhaus in Wernswig

Abel Becker hatte keine Kinder, so war viel Platz im Pfarrhaus.

In der kleinen Scheune am Bach stand eine Kuh, die täglich gemolken werden musste. In den Schuppen davor in Richtung Dorf wurde Laub gespeichert, das für den Einstreu im Kuhstall gebraucht wurde.

Historisches Foto  aus dem Bestand von Pfarrer Heusinger, es zeigt die Situation in den 30er Jahren mit dem Betsaal, dem Stallgebäude, der Hoflinde und rechts der Scheune des Nachbarn Steinbrecher

In der Unterfahrt (Anbau von 1911) an der Scheune wurde der Landauer (2-sitzige Kutsche) abgestellt mit dem Abel Becker zum Gottesdienst nach Sondheim fuhr. Er konnte aber nur damit fahren, wenn er im Dorf jemanden fand, der ihm ein Pferd anspannte, meist tat das Herr Rompf. War einmal kein Pferd zur Verfügung, ging er zu Fuß nach Sondheim. (Rompfs Hof am Wolfsgarten brannte 1917 ab und wurde 1920 am Dorfeingang an der Hauptstraße neu errichtet.)

Im oberen Teil des Stallgebäudes, am Eingang des heutigen Betsaales war der Pferdestall, in dem das Pferd eingestellt wurde, wenn die Verwandten aus Niedervorschütz zu Besuch kamen.

In der Familie sprach man immer vom „Onkel Herrn Parr". Die Verwandten erhielten bei ihren Besuchen viel Eingemachtes aus der Speisekammer, die in dem mittleren Raum an der Nordseite, gegenüber dem Kücheneingang lag.

Historisches Foto: Hochzeit Steinbrecher mit dem Gruppenfoto vor dem Pfarrhaus

 
1922/23 gab es eine Maul- und Klauenseuche und alle Ställe mussten mit Kalk desinfiziert werden. Abel Becker machte das selbst. Mit schwarzen Hut und einem alten Talar kalkte er den Stall, dabei bekam seine Kleidung und sein damaliger Backenbart viel Farbe ab.

In der Heuernte stand Abel Becker schon früh auf, nachts um 2 oder um 4 Uhr (je nach Informationsquelle) und mähte das Gras. War Regen zu befürchten, karrte er alles Heu zusammen und brachte es in die Scheunendurchfahrt um es am nächsten trockenen Tag wieder auf der Wiese zu verteilen und weiter trocknen zu lassen. Das Heu wurde auf dem Boden über der kleinen Scheune am Bach gelagert, direkt über dem Unterstand für den Landauer und über dem Kuhstall.

Kurt Steinbrecher und Konrad Iber als Nachbarsjungen mussten ihm des öfteren helfen.

Als Abel Becker ein lahmendes Huhn schlachten wollte, zuckte das Tier, und beim Kopfabschlagen wurde auch ein Teil seines Daumens erwischt.

Herr Steinbrecher erinnert sich an folgenden Viehbestand von Abel Becker:

2 Kühe
1 Ziege
3-4 Schweine
20 Hühner

Das war notwendig, da man sich nach dem 1. Weltkrieg selbst zu versorgen hatte.

Aus Niedervorschütz kamen häufiger die Nichten zu Besuch. Das war die Guste, die Anna und die Minna, dabei war die Guste schlimmer als 3 Jungen.

Pfarrer von Heusinger, der die Nachfolge von Abel Becker antrat, soll auch vorher in Netra Dienst getan haben.

In dem Garten hinter der Scheune stand ein Nussbaum, von dem aus – 30 m nach Norden – grenzte ein Drahtzaun das Gartenland ab. Auf dem Land bis zur Sondheimer Straße wurde Roggen und Kartoffeln angebaut. Von Ranfts waren noch 1-2 Morgen gepachtet.

(Aufgeschrieben nach den Gespräch mit Kurt Steinbrecher in den 1980er Jahren)

 


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