HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Altstadt Kita: Wirklich ein gutes Beispiel? (2)


Fortsetzung der Serie "Prächtig polierte Pleite-Projekte"
zweites Projekt: Altstadt-Kita in der Salzgasse


Faktencheck:


"Denkmalgeschützte Scheune" und Kita-Gestaltung

Das hessische Umweltministerium hat eine Broschüre mit Projekten zur nachhaltigen Stadtentwicklung herausgegeben. Der Altstadt-Kindergarten in der Salzgasse wird darin als "gutes Beispiel" dargestellt. Die Aussagen der Veröffentlichung werden einem Faktencheck unterzogen. Im ersten Teil ging es um das zerschlagene Kulturdenkmal und die Standortauswahl.
In diesem Beitrag geht es um die Architektur und die Bauausführung. Besondere Beachtung verdient die Sprache und die Art der Beschreibung in der Broschüre, die stark nach Homberger Art sind. Den einzelnen Textstellen werden die Fakten gegenüber gestellt.

Landwirtschaftlich genutzte Scheune

Die Stadt Homberg […]  hat in der historischen Altstadt eine leer stehende, ehemals landwirtschaftlich genutzte Scheune modernisiert.

Das Baugrundstück war mit einer historischen, landwirtschaftlich genutzten Scheune (Einzeldenkmal) mit direktem Anbau aus der jüngeren Vergangenheit, einer neuzeitlichen Garage sowie einem separat stehenden Wirtschaftsgebäude bebaut.

Die historische Scheune selbst war als Wirtschaftsgebäude für die Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Futter, Stroh) im Innenbereich nur wenig gegliedert und konnte daher leicht entkernt werden, um den Neubau ausgestalten zu können.


Das Gebäude war keine alleinstehende Scheune, es war immer Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes und eines Ensembles von mehreren Gebäuden.
Dazu gehörte das Wohnhaus, wahrscheinlich kurz nach dem 30-jährigen Krieg gebaut, die Scheune mit einem vor ca. 100 Jahren errichteten Anbau als Stall für Kühe und das relativ gut erhaltene Wirtschaftsgebäude entlang der Webergasse. Nur die Garagen auf dem Hof waren neueren Datums. Aus diesem Ensemble wurde das Scheunengebäude ausgewählt, das am schlechtesten erhalten war, und als Einzeldenkmal bezeichnet.

Fachwerkscheunen bestehen aus Tragwerk mit Fachwerk und haben ansonsten keine Einbauten, höchstens einmal eine Deckenlage. Was an einem solchen Fachwerk entkernt werden soll, kann ein Fachmann nicht verstehen. Es ist wohl einfach nur ein Schlagwort für Laien.

Entkernung, Abbruch, Entsiegelung, Neubau

Durch den Abbruch von nicht schützenswerten Nebengebäuden der Liegenschaft (Anbau, Garage, Wirtschaftsgebäude) und die anschließende Entsiegelung der Flächen wurde Platz für den Neubau der Kindertagesstätte geschaffen.

Nach dem Erwerb des Grundstückes wurden nicht denkmalgeschützte Nebengebäude und Anbauten abgebrochen und die Fläche durch Freilegung für den Neubau vorbereitet. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde entkernt, um darin Raum für die Kindertagesstätte zu schaffen. Die Gebäudehülle wurde erhalten und ausgebessert.

Da die vormalige Fachwerkkonstruktion erhebliche Mängel aufwies, musste die Statik der alten Scheune grundlegend neu gerechnet werden.

Foto: Wirtschaftsgebäude von der Seite in der Webergasse (nicht schützenswertes Nebengebäude)

In der Scheune war nichts zu "entkernen". Was aber in der Scheune fehlt, ist eine ganze Bundwand in der Scheune rechts hinter dem Scheunentor. Dort  wurde Platz für den größeren Raum gebraucht. Wenn so in das Fachwerkgefüge eingegriffen und die Kräfte umgelenkt werden, muss natürlich die Statik neu gerechnet werden. Mit Denkmalschutz hat das aber nichts zu tun. Der Begriff "Gebäudehülle" zeigt deutlich: Denkmalschutz wird reduziert auf äußerlichen Dekor. Diese "Gebäudehülle" ist auch nur zu einem Teil für den Kindergarten ausgebaut. Das 2. Obergeschoss und das Dachgeschoss stehen leer. Auch das Wohnhaus steht leer, es wurde nachträglich dazu gekauft – ohne Beschluss der Stadtverordnetenversammlung.

Im Innenraum ist nichts von einer Scheune zu sehen, einfach ein zeitgemäßer Zweckbau.

 

Großspurig wird von Entsiegelung gesprochen, das klingt nach Umweltschutz. Tatsächlich versickerte zwischen dem alten Kopfsteinpflaster mehr Wasser als auf den neuen Pflasterflächen. Die Wassereinläufe und die Pflasterneigung zeigen, hier wird Regenwasser in den Kanal eingeleitet.


Außenhülle und Neubau

Zum Erhalt des Gebäudes wurden ferner die Außenhülle und das Dach grundlegend saniert.


Eigenständiger Baukörper mit Gründach vor der Scheune

Ergänzend wurde ein eigenständiger Baukörper mit Grün-Dach vor der historischen Scheune geschaffen.

Wo ist der eigenständige Baukörper? Wo ist das Gründach?
Der Neubau ist ein Neubau, der zur Hälfte in der "Außenhülle" der Scheune eingebaut wurde. Der Bauteil, der an der Nordost-Seite angebaut wurde ist ein Bau mit Flachdach. Bisher wurde in der Homberger Altstadt auf die Dachlandschaft aus den Satteldächern geachtet. Diese Anbau hat diese Achtsamkeit durchbrochen. Wird es in Zukunft frei Hand bei der Dachgestaltung geben? Das wäre ein weiterer Rückzug der Denkmalpflege in die Bedeutungslosigkeit.

Auf dem Flächdach gibt es kein Grün, wie der Text der Broschüre schreibt. Auf dem Flachdach liegt eine Solarthermische Anlage und vier Solarpanele. Der größte Teil der Fläche ist leer. Da ist kein Gründach gebaut. Haben die Verfasser sich nicht denken können, dass sie mit der Veröffentlichung des Luftbildes vom Gebäude den Beweis selbst geben?

 

Wenn schon kein Grün auf dem Dach und auf dem Gelände, mit Ausnahme der Kübelpflanzen, so hat der Architekt doch seine Liebe zum Grün deutlich gemacht. Vielleicht hat er aber auch nur danach geschaut, was ist gerade modern ist. 2017 war dieses Grün die Modefarbe des Jahres.
Was macht der Architekt in diesem Jahr, wenn ein anderer Farbton zur Farbe des Jahres erklärt wird.

Von zurückhaltender Farbgestaltung in der Denkmalpflege und bei der farblichen Gestaltung eines baulichen Ensemles scheint der Architekt noch nichts gehört zu haben. Ihm scheint ein modischer knalliger Farbton wichtiger zu sein. Leider hat sich das auch schon bei den anderen Bauvorhaben von ihm in Homberg gezeigt.
 

Scheunentor-Imitation, leuchtende Erker zur Straßenbeleuchtung

 Lediglich an den Fassadenöffnungen korrespondieren die beiden Bauteile miteinander.

Was da miteinander korrespondieren soll bleibt rätselhaft.
Deutlicher ist der Versuch noch Stilelemente der Scheune sichtbar zu machen.
Wo einst in der Salzgasse das Scheunentor war ist jetzt nur noch der klägliche Versuch zu erkennen, mit zwei vorgehängten Holzflächen ein Scheunentor zu imitieren.

Ursprüngliches Scheunentor Scheunentor nachempfunden "Erker im Altbau bieten Kindern einen "Schritt in die Straße" und sollen nachts beleuchtet werden. Damit werde die Salzgasse etwas erhellt und die Kita könnte so auch das Stadtbidl mitprägen, erläutert Ritz"  HNA 25.8.2017

An dieser Fassade sind im Obergeschoss Glaskästen an das Fachwerk gehängt, in denen sich die Kinder setzen sollen. Nachts wird die Gasse von den Fenstern etwas erleucht.

 

Fehlplanung Aufzug, stilvolle Treppen, Obergeschoss

Nicht alles wird in der Lobes-Broschüre des Ministeriums genannt. So fehlt der nutzlos gebaute Aufzugsschacht. Auch dies wird nicht erwähnt:: "Stilvoll beleuchtete Treppenstufen weisen den Weg nach oben".


Zwischen den zweigeschossigen Flachdach-Neubau und der Scheune wurde ein Aufzugschacht gebaut, um vom Erdgeschoss in das Obergeschoss zu gelangen. Der Zugang zu dem Aufzugschacht wurde zugemauert und so verkleidet, dass man es nicht mehr auf den ersten Blick erkennt. Die HNA schreibt "Er ist so konzipiert, dass er bei Bedarf leicht aktivierbar ist. sagt Ritz." Der Fahrstuhl könnte in Zukunft durchaus zum Einsatz kommen. Erst einmal werde er als Abstellraum genutzt.

 

 

 

Die beschönigende Umschreibung einer Fehlplanung. Ein Aufzug im Kindergarten ist nicht erlaubt. Das wurde schon in einer früheren Ausschusssitzung angesprochen. Damals erklärte man den Aufzug als notwendig, um das angelieferte Mittagessen ins Obergeschoss zu fahren.

Wer ist für diese Fehlplanung verantwortlich? Wie hoch sind die Kosten? Wird der Bürgermeister wieder versuchen den Verantwortlichen schadlos zu halten und stattdessen die Bürger belasten?

 

Freiflächen und Spielflächen "neu" gestaltet

Zum Abschluss der Maßnahme wurden die Frei- und Spielflächen auf der Rückseite des Gebäudes neu gestaltet.

Die bestehende Kastanie im angrenzenden Gärtchen wurde in die Freiflächengestaltung integriert und durch eine Sitzgruppe eingerahmt.

Auf den neu angelegten Spiel- und Freiflächen der Außenanlage wurden die alten Fachwerkbalken der Scheune einer neuen Nutzung zugeführt: Diese haben als Gestaltungselement an den Spielgeräten neue Verwendung gefunden.

Natülich wurde nichts neu gestaltet,  die Frei- und Spielflächen wurden neu angelegt, wo früher Gebäude standen.
Der zentrale Bereich zwischen Salzgasse und Webergasse ist mit Betonsteinen gepflastert.

 

Die bestehende Kastanie erhielt eine Baumscheibe, die darum liegenden Außenflächen wurden mit gelben Kunststoffbahnen vollflächig abgedeckt.

Die Restfläche des Platzes wurde mit Schotter hoch aufgefüllte und in einer betonierten Wanne ein Sandkasten mit Spielgerät aufgebaut. Spielflächen für die unterschiedlichen Altersgruppen sind nicht erkennbar.

Foto: Sandkastenplatz im Bau, Untergrund Beton und Schotter

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6 Kommentare zu “Altstadt Kita: Wirklich ein gutes Beispiel? (2)”

  1. IchkannGoogle

    Ein Aufzug im Kindergarten ist nicht erlaubt. Das wurde schon in einer früheren Ausschusssitzung angesprochen

    Dazu hätte ich gerne mal einen Nachweis der gesetzlichen Grundlage Ihrer Aussage

    https://treppauf.de/barrierefreier-zugang-kita-schule.htm

    https://www.sichere-kita.de/treppenhaus/treppenhaus/aufzug/01.htm

    Übrigens die neue Kita "Am Kutschengraben" in Melsungen… eingeweiht im Dezember 2017 hat einen Aufzug.

    Aufzüge sind durchaus erlaubt, sie müssen nur gegen die Selbstbenutzung durch die Kinder gesperrt werden, zum Bsp. mit einem Schlüsselschalter.

    Sollte man einen Aufzug nicht "gleich" benötigen, sondern erst wenn am entsprechendem Objekt ein Bedarf besteht (weil die Inklusionsplätze in anderen Einrichtungen voll sind) so kann man den durchaus erstmal weglassen, solange die baulichen Vorraussetzungen(Aufzugsschacht mit Unterfahrt/Befestigungsmaterial in der Wand/Stromanschluss usw) zur Nachrüstung gegeben sind.

    Also hat Dr.Ritz durchaus Recht, mit seiner Ausssage das  es kein Problem ist später einen Aufzug nachzurüsten, sollte Bedarf entstehen.

    Auch  liegt somit zumindestens beim Aufzugsthema keine Fehlplanung vor, sondern eine vorrausschauende Planung.

  2. Delf Schnappauf

    zu 1: Vielen Dank für ihren Hinweis auf "vorausschauende Planung" und die weiterführenden Links zum Thema. Dort ist zu lesen:

    "Die Räumlichkeiten für eine Kindertageseinrichtung sollten möglichst auf einer Ebene zu erreichen sein."

    Dazu im Gegensatz steht die Aussage von Bürgermeister Dr. Ritz, der sich freute, dass Homberg nun auch einen zweigeschossigen Kindergarten besitzt und nicht nur ebenerdige.

    (2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein.

    Im Erdgeschoss der Altstadt-Kita befindet sich eine Gruppe für die unter 3-jährigen und eine für die über 3-jährigen. Im Erdgeschoss stehen also "Inklusionsplätze" zur Verfügung, die ohne Aufzug zu erreichen sind. Die Räume im Obergeschoss könnten für Inklusionsplätze genutzt werden, die nicht auf einen Aufzug angewiesen sind. (Hör- oder Sehbehinderungen z.B.)

    Der Bund verpflichtet sich, bei der Durchführung von investiven Baumaßnahmen  „… bauliche Barrieren in den nicht von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen, soweit sie dem Publikumsverkehr dienen, festzustellen und unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abzubauen, sofern der Abbau nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung darstellt …“

    Barrierefreiheit anzustreben ist gut, "unangemessene wirtschaftliche Belastungen" müssen aber dennoch nicht getragen werden. Ein Aufzug ist an dieser Stelle nicht zwingend notwendig.
    Erinnert sei an den Vorschlag von Thomas Hoffman, der als damaliger FWG-Stadtverordneter einen barrierefreien Zugang auf dem Marktplatz für die Fläche vor den Gebäuden an der Nordseite forderte, der leicht zu bauen gewesen wäre, das wurde jedoch nicht umgesetzt.

    Spielbereiche im Freien müssen direkt zugeordnet und zur Verkehrsfläche abgesichert sein. Es sollten pro Kind 10 qm Bewegungsfläche zur Verfügung stehen.

    In den genannten Quellen steht auch etwas von dem Bewegungsraum im Freien, der den Kindern zur Verfügung stehen soll. Die Bewegungsfläche des Altstadtkindergartens liegt weit darunter. Warum wurde das nicht der "vorausschauenden Planung" berücksichtigt? siehe: "Zum Toben kein Platz" 

  3. Dr. Klaus Lambrecht

    Es gibt doch bei den Homberger Planungen immer wieder verwunderliche Fehler, wie der nicht  barrierefreien Anbau an den Burgbergstuben, der Marktplatzumgestaltung oder der Kita.

    Was mich ebenfalls  bei dem Rathausumbauprojekt verwundert, ist die diskriminierende Planung einer einzigen Behinderten Toilette im Keller unter dem Altbau. Warum gibt es keine behindertengerechte Toilette auf jeder Etage? Unser Parlament hat auf Grundlage des Konzeptes zugestimmt.

     Da kommt wieder zum Tragen, dass die Konzepte vorgestellt werden, die Planung und die genehmigte Planung wieder nur einem kleinen Kreis von Personen vorgestellt wird. Ob eine sachkundige Prüfung durch die Behindertenbeauftragte erfolgt ist nicht bekannt.

  4. Phil Antrop

    "Ob eine sachkundige Prüfung durch die Behindertenbeauftragte erfolgt ist nicht bekannt."

    Ach, die gibt es noch ?

  5. Opa

    Vor einiger Zeit konnte ich hier im Blog lesen, dass sich die Behindertenbeauftragte des Kreises dahingehend äußerte, dass sie von der Stadt Homberg nicht um Rat gefragt wird.

    Gründe wurden nicht genannt (…) 

  6. solarfan

    zu 2.

    Wie sieht es denn nun mit der Feststellung "… Ein Aufzug im Kindergarten ist nicht erlaubt …" aus ?

    Fake News ?

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