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Bingelbrücke: Die Auftragsvergabe

Anhand der Entscheidungen zum Bau der Bingelbrücke kann man sehen, wie auch dort mit Tricks, Täuschungen und falschen Angaben Politik gemacht wurde.

Im August letzten Jahres fiel die Entscheidung zum Bau der Bingelbrücke.
1. Ohne Ankündigung in der Tagesordnung.
2. Ohne Unterlagen.
3. Ohne Ausschreibung.
4. Auf die Anfrage im Frühjahr: falsche Antworten.

Bild

Auszug aus der Einladung mit dem entsprechenden Tagesordnungspunkt

1. Die Tagesordnung der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im August 2008.
In der Einladung [1] hieß es lediglich:

"Der Sachverhalt wird zur erneuten Beratung und Beschlussfassung an das Parlament zurückgegeben."

Der Magistrat selbst hatte in dem beiliegenden Beschluss [2] formuliert:

"Weiterhin wird beschlossen, den gesamten Sachverhalt an das Parlament zur erneuten Beratung zurückzugeben."

Weder aus der Tagesordnung noch aus dem Magistratsbeschluss geht hervor, dass über den Neubau einer Brücke zu entscheiden ist.
Aus dieser Einladung ging auch nicht hervor, dass ein Beschluss zu einer Auftragsvergabe erfolgen soll.

Nach der gültigen Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung hätte die Erweiterung des Tagesordnungspunktes vorher durch die Versammlung genehmigen werden müssen. Dieser Tagesordnungspunkt war ein Täuschungsmanöver, wobei in der Sitzung noch vom Bürgermeister mit Zeitdruck argumentiert wurde. Eine Strategie, die er schon häufiger eingesetzt hat. Hier hätte auch der Stadtverordnetenvorsteher auf die Einhaltung der Geschäftsordnung zu achten gehabt.

Es gibt keinen Beschluss [3] des Haupt- und Finanzausschusses, wie anfänglich dessen Vorsitzender Ripke noch vortrug. Nach einer Sitzungsunterbrechung musste er eingestehen, dass der Ausschuss gar keine Beschlussempfehlung abgegeben habe, er habe sich halt geirrt.
Auch der Vorsitzende des Bau- und Planungsausschusses Fröde gestand ein, man habe nur beraten und sich der Magistratsempfehlung angeschlossen. Welcher Empfehlung – muss man fragen – offensichtlich nicht die, welche die Stadtverordneten mit der Einladung erhalten hatten.

Aus dem Protokoll geht bei der Beschlussformulierung [4] hervor, dass lediglich der Vortrag des Bürgermeisters Grundlage für die Entscheidung war.

2. Keine Unterlagen

Es gibt zu dem Bauvorhaben keine Unterlagen, keine Bauzeichnungen, Ansichtzeichnungen, nichts.
Der Stadtverordnete von Bündnis90/Die Grünen, Klaus Bölling monierte dies; im Protokoll [5] heißt es:

"Die Vorlage sei nicht ausreichend, um über eine Auftragsvergabe von rund 210.000,00 € entscheiden zu können. Er vermisst insbesondere das Ausschreibungsergebnis und Zeichnungen der neuen Brücke."

3. Keine Ausschreibung

Die Einschränkung auf die Aluminiumvariante ist vom Bürgermeister vorgenommen und entspricht nicht der Beschlusslage. Es gibt nur ein Angebot der Firma Glück. Ob diese Angebot das am Markt preisgünstigste Angebot ist, kann keiner sagen, da es keine eingeholten Vergleichsangebote gibt. Es gibt auch keine Wirtschaftlichkeitsberechung. Mit den Grundsätzen der Doppik (Buchhaltungssystem für Kommunen) hat dieses Verfahren ebenfalls nichts gemein.

Über diesen Punkt schrieb zwei Tage später die HNA:

Binnen weniger Minuten fiel die Entscheidung über eine Brücke in Aluminiumausführung über die Hersfelder Straße. Kosten: immerhin 210 000 Euro.
Eigentlich hätte es eine Holz-Ausführung werden sollen, aber die Kosten dafür waren explodiert (401 000 Euro). Abstimmung: CDU, SPD, FDP dafür, Grüne dagegen.

4. Falsche Antwort auf Anfrage

Das ganze Verfahren um die Bingelbrücke warf viele Fragen auf, die dem Magistrat gestellt und vom Bürgermeister beantwortet wurden. Frage 18 lautetet:

18. Wurde die Ausschreibung entsprechend der Vorschrift in der Hessischen Ausschreibungsdatenbank bekannt gemacht?
a) Wenn ja, unter welcher Nummer ist die Ausschreibung erschienen?
b) Wenn nicht, aus welchen Gründen wurde es unterlassen?

Nein.
a) entfällt.
b) Es wurde freihändig vergeben aufgrund der Besonderheit der Herstellungsweise. Das Vorgehen ist mit der Vergabestelle des Kreises abgestimmt.

Vor einigen Tagen versuchte ich, die genannte Vergabestelle des Kreises zu befragen. Ich wurde mit der Submissionsstelle für die Aufträge des Kreises verbunden, die aber nicht für die Stadt zuständig ist, ein weiterer Verbindungsversuch ging zum Rechungsprüfungsamt. Auch dort konnte mir keiner sagen, wer die "Vergabestelle des Kreises" sei mit der abgestimmt worden sei, dass keine Ausschreibung stattfand.

Letzten Montag habe ich im Rathaus gebeten, man möge mir den Ansprechpartnter der "Vergabestelle des Kreises" bis zum Freitag nennen. Es gab keine Antwort auch dem Rathaus, wahrscheinlich gibt es auch keine "Vergabestelle des Kreises". [siehe Nachtrag [6] vom 4. August 2009]

Die Rechtslage ist eigentlich klar. Bei Bauaufträgen über 50.000 Euro ist eine Ausschreibung zwingend vorgeschrieben. Diese Vorschrift kann auch keine "Vergabestelle des Kreises" aufheben, wenn sie nicht Rechtsbruch begehen will. Es gibt zwar einig Ausnahmemöglichkeiten, diese sind aber sehr begrenzt und treffen hier nicht zu, wie ein ausführliches Gespräch mit der Geschäftsführerin der Hessischen Vergabestelle bestätigte. Dagegen könne nur jemand klagen, der dadurch einen Nachteil hatte, zum Beispiel ein andere Firma, die so nicht zum Zuge kommen konnte.

Wieder ein Beispiel für das Antwortverhalten des Bürgermeisters, dass in keiner Weise mit seinen Verpflichtungen übereinstimmt.
Das gesamte Verfahren ist eine Farce. Das ist die Art der Amtsführung von Bürgermeister Wagner, die hier dokumentiert ist.

Nachtrag 4. August 2009
Heute wurde mir ein Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamtes benannt, der der Nicht-Ausschreibung zugestimmt haben soll.

siehe auch:

Viel Fragwürdiges zum Bau der Bingelbrücke [7]
Bingelbrücke Fundamentverstärkung [8]
Bingelbrücke und die Preisentwicklung [9]
Bingelbrücke: Erst Angebote einholen, dann bauen [10]
Kostenlotteriespiel Bingelbrücke oder Spiel mit den Kosten [11]
Bingelbrücke Hersfelder Straße [12]

Dokumentation

 

 

Einladung zur Stadtverordnetenversammlung

"Punkt 9:
Erneute Beratung und Beschlussfassung über die Sanierung der Bingelbrücke in der Hersfelder Straße

Auf der Grundlage einer aktuellen Kostenschätzung zur Sanierung der Bingelbrücke vom 24.01.2008 (l 50.000,00 €) hatte der Magistrat in seiner Sitzung am 21.02.2008 die Ausschreibung der Arbeiten beschlossen. Eine am 05.05.2008 zwischenzeitlich eingereichte Kostenschätzung ergab aufgrund der schnell steigenden Preise im Stahl- und Holzbau einen Baupreis von 221.000,00 €.
Zum Submissionstermin am 08.07.2008 hat nur ein Anbieter ein Angebot abgegeben; das Ausschreibungsergebnis ergab 401.000,00 €.
Der Magistrat hat in seiner Sitzung am 10.07.2008 aufgrund fehlender Haushaltsmittel die Aufhebung der Ausschreibung gemäß Â§ 26 VOB beschlossen. Der Sachverhalt wird zur erneuten Beratung und Beschlussfassung an das Parlament zurückgegeben. Der Magistratsbeschluss ist als Anlage Nr. 8 beigefügt.

Anlage Nr. 8 Beschluss des Magistrats Nr. 3 vom 10. Juli 2008

3. Vergabe von Arbeiten zur Teilerneuerung BW 89 Fußgängerbrücke über die Hersfelder Straße

Die Verwaltung gibt bekannt, dass für die Sanierungsarbeiten ursprünglich ca. 150.000,00 € angesetzt waren. Gemäß Auftrag des Magistrats wurden die Arbeiten ausgeschrieben.
Das Ausschreibungsergebnis ergab 400.907,53 € plus Nebenkosten. Aufgrund dieser Zahlen und der fehlenden Haushaltsmittel beschließt der Magistrat, die Aufhebung der Ausschreibung gemäß Â§ 26 VOB vorzunehmen.
Weiterhin wird beschlossen, den gesamten Sachverhalt an das Parlament zur erneuten Beratung zurückzugeben."

——————-

Protokoll der Stadtverordnetenversammlung

"Zu Punkt 9:
Gegenstand: Erneute Beratung und Beschlussfassung über die Sanierung der Bingelbrücke in der Hersfelder Straße

Ausschussvorsitzender Ripke trägt die Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses vor; Ausschussvorsitzender Fröde die des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses.

Bürgermeister Wagner gibt die Beschlussempfehlung des Magistrats bekannt und erläutert, warum heute auch möglichst der Auftrag zum Bau vergeben werden soll.
Die Empfehlung des Magistrats lautet:
Die Stadtverordnetenversammlung hatte dem Magistrat einen Prüfauftrag gegeben, die vorhandene Holzbrücke zu sanieren. Dabei hat sich herausgestellt, dass die zu erwartenden Kosten sehr hoch ausfallen würden.
Man hat deshalb ein Alternativangebot für eine Bogenbrücke aus Aluminium eingeholt, welches sich über ca. 210.000,00 € beläuft.
Die Mittel sind im Haushalt vorhanden. Mit einem entsprechenden Beschluss könnte der Bau beschleunigt werden. Außerdem könnte man evtl. Preissteigerungen in den nächsten Monaten durch eine schnelle Umsetzung entgegenwirken.
Weiterhin empfiehlt der Magistrat, den Auftrag an die Firma Glück zum Angebotspreis von 209.864,64 € zu vergeben.

Auf Antrag Herrn Gerlachs unterbricht der Stadtverordnetenvorsteher die Sitzung.

Nach Wiedereröffnung der Sitzung berichtet Ausschussvorsitzender Ripke, dass der Haupt- und Finanzausschuss keine Beschlussempfehlung abgegeben hat und er sich zu Beginn des Tagesordnungspunktes geirrt habe.

Herr Fröde teilt mit, dass der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss nur über diesen Sachverhalt beraten und wie der Magistrat empfohlen hat.
Über die weiteren Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung zur Genehmigung von Bauverträgen nach § 77 Absatz 2 HGO wird üblicherweise im Fachausschuss nicht gesprochen.

Herr Bölling beklagt das niedrige Niveau der heutigen Sitzung und geht auf den Sachverhalt Bingelbrücke ein.
Die Vorlage sei nicht ausreichend, um über eine Auftragsvergabe von rund 210.000,00 € entscheiden zu können. Er vermisst insbesondere das Ausschreibungsergebnis und Zeichnungen der neuen Brücke.

Der SPD-Fraktion habe vor einem Jahr auf den Bau einer behindertengerechten aus Aluminium gesetzt und die schnelle Bauumsetzung gefordert, stellt Herr Gerlach fest.
Im Februar 2008 habe das Parlament dem Magistrat den Prüfauftrag für die Sanierung der Holzbrücke erteilt. Jetzt werde eigenartigerweise vom Magistrat eine Aluminiumbrücke favorisiert. Die SPD-Fraktion sagt "Ja" zum Vorhaben und wünscht sich einen schnellen Brückenbau.

Herr Kroeschell teilt mit, dass die jetzige Brücke nach seinen Beobachtungen nur ganz wenig von Kindern benutzt werde. Fast alle überqueren die Hersfelder Straße.

Herr Richter will bedauerlicherweise dem Brückenbau zustimmen, da er nicht behindertengerecht ausgeführt werde.

Frau Kehl bedauert diesen Umstand ebenfalls. Sie glaubt, dass als einzige sichere Lösung der Bau eines Verkehrskreisels mit entsprechenden Fußgängerüberwegen im Bereich der Hersfelder Straße / Kloster St. Georg dienen könne. Als Anwohnerin bestätigt sie die Beobachtungen Herrn Kroeschells, dass Kinder die Brücke überwiegend meiden.

Beschluss: Die Stadtverordnetenversammlung nimmt den Bericht des Magistrats durch Herrn Bürgermeister Wagner zur Kenntnis und beschließt, den Auftrag zum Bau einer Bogenbrücke aus Aluminium an die mindestfordernde Firma Glück zum Angebotspreis von 209.864,64 € zu vergeben.

Abstimmung: Bei 34 anwesenden Stadtverordneten 32 Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen"

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#1 Kommentar von Te Wake am 2009 August 2 00000008 8:14 pm 124924046808So, 02 Aug 2009 20:14:28 +0100

Um den BM beim Wort zu nehmen, sollte man es sportlich betrachten. Egal in welchem Loch das stattfindet.
In Homberg scheint man eine neue Art des Politsportes zu betreiben:
„Vorbeischlängeln“ am Parlament. dabei ist man in der Wahl der Methoden sehr kreativ.
Genau die Kreativität die im Stadtmarketing vermisst wird.

Wie man solche Verhaltensweise dann noch unter “ einmaliger Fehler“ einordnen kann wird uns bestimmt Herr Siebert erzählen können. Und der Vorgesetzte des Bürgermeisters in beamtenrechtlicher Hinsicht oder die kommunalpolitische Dienstaufsicht sind hier wohl auch so langsam gefordert, wenn sie sich nicht möglicherweise selbst eines Fehlverhaltens schuldig machen wollen.

Aber die Krähen ziehen ja überall ihre Kreise.