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Einkaufszentrum – Corona – Cittaslow

  
Am 10. Dezember 2020 eröffnete in Homberg das neue Einkaufszentrum. Die Eröffnung ist durch Corona bestimmt. Zeitgleich ist in der HNA zu lesen, Homberg sei eine Cittaslow-Stadt.
Diese drei Begriffe bezeichnen schlaglichtartig die aktuelle Stadtpolitik.
  

Einkaufszentrum

Direkt neben der historischen Altstadt wurde auf einem hervorgehobenen städtebaulichen Areal ein Baukomplex errichtet, der nur eine Funktion hat: Konsum.
Monokulturen sind nicht nachhaltig, weder in der Natur, noch in der Stadt.

Der Hessische Einzelhandelsverband [1] riet zu einer Mischnutzung mit Wohnungen oder anderen sozialen Einrichtungen.
Die Bürger stimmten dafür, den alten Baumbestand [2]zu erhalten und zu integrieren.

Hinweise und Bitten wurden abgelehnt, sie würden nicht zu den Plänen des Projektentwicklers passen.  Die Homberger Politik ordnete sich unter, sie wollte das Projekt "nicht versemmeln [3]" (Dr. Nico Ritz).

Projektentwickler haben nur ein Ziel: Möglichst großen Gewinn aus einem Projekt zu ziehen, und es danach an Investoren zu verkaufen. Der Projektentwickler verkauft das Projekt der Stadt mit schönen Schlagworten von Attraktivität, Belebung der Innenstadt und Entwicklung.

Am Anfang stand eine Falschmeldung: Das Kaufkraftpotential in Homberg wurde maßlos übertrieben. 184 Mio. Euro Kaufkraft sei mit dem Projekt anzuziehen.

Als Mittelzentrum stellt Homberg (Efze) den Versorgungsstandort für rund 36.000 Menschen dar. Im Einzugsbereich besteht ein Kaufkraftpotential von rund 184 Mio. Euro.
Bautenstandsbericht 1, Startbericht vom 18.09.2019 [4]

Die Industrie- und Handelskammer sah lediglich 85 Mio. Euro Kaufkraftpotential und hielt nur ein wesentlich kleineres Einzugsgebiet für realistisch.

Mit einer rechtswidrigem Veränderungssperre [5] wurde das Projekt geschützt und ein wohnortnahes Nahversorgungszentrum verhindert.

Zwei historische Gebäude unter Denkmalschutz wurden abgerissen.

Warum? Um die größtmögliche Verkaufsfläche und damit den größtmöglichen Gewinn aus dem Projekt heraus zu holen. Dafür mussten billige Arbeiter aus Osteuropa den Bau hochziehen.

Planer erfüllten die Wünsche des Projektentwicklers und schufen mitten in der Stadt durch den großen Parkplatz einen zukünftigen Hitzeplatz, der auch den Planern von ANP Kassel bewusst war.
Im Abwägungsverfahren nach der Planoffenlegung zur 1. Änderung schreiben sie:

"Aufgrund der geringen Anteile an Vegetationsflächen ist im Plangebiet von einer Tendenz zur Überwärmung und daher einem belasteten Bioklima auszugehen."
Begründung zum Bebauungsplan Nr. 61-1.

Die Mehrheit der Stadtverordneten hatte keine Bedenken:

"Die Stärkung der Attraktivität des Standortes im zentralen Versorgungsbereich der Stadt Homberg (Efze) hat hier Priorität."

Der größte Teil der Verkaufsflächen liegt im fensterlosen "Basement". Ein Nutzungsänderungen für die fensterlosen Räume ist schwierig bis unmöglich. Dieser Bau ist nicht nachhaltig.

Das Einkaufszentrum ist damit zu einem Denkmal bedenkenloser Unterwerfung unter die Interessen des Geldes geworden. Sehenden Auges hat die Stadt die Bereitschaft signalisiert, die negativen Folgen in Kauf zu nehmen.
  

Corona

Corona steht für zahlreiche anderen Bedrohungen, die sich seit Jahrzehnten schleichend aufgebaut haben.
In der Stadtpolitik wird nur mit Schlagworten darauf eingegangen, ohne tatkräftig gegenzusteuern. Seit Jahren wird zum Beispiel der Verlust von Ackerland beklagt, in Homberg soll jetzt wieder neues Bauland auf gutem Ackerboden ausgewiesen werden – bei sinkender Einwohnerzahl.
Viren sind nicht sichtbar und können dennoch das gesellschaftliche Leben weltweit lahmlegen. Es gibt aber viele andere Krisen, die bereits sehr deutlich sichtbar und spürbar sind, auf die auch nicht angemessen reagiert wird. Zum Beispiel:
Die Folgen der  fortschreitende Erderwärmung sind auch nicht mehr in den Wäldern zu übersehen. Große Bestände sind abgestorben.
Die Dürre nimmt zu.

Corona steht für die Folgen einer Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist, Gewinne zu privatisieren und die Folgen und Verluste der Allgemeinheit anzulasten.
Die Folgen dieser als Liberalismus bezeichneten Ideologie zeigt sich auf vielfältige Weise.
Corona: Ein neuer Virus legt weltweit das öffentliche Leben lahm. Ein Virus aus der Tierwelt, der auf Menschen übergesprungen ist, da der Lebensraum von Tieren immer mehr zerstört wird. Weitere Viren und Epidemien können  folgen.

Corona steht für die vielen Bedrohungen für die natürliche Lebenswelt. Lange Zeit wurden die schleichenden Veränderungen nicht wahrgenommen. In den letzten Jahren sind sie so deutlich geworden, dass sie nicht mehr zu übersehen sind: Vertrocknete und brennende Wälder auf allen Kontinenten, Einbußen bei der Ernte, Wasser wird knapp, Verlust der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten zerstörte das ökologische Gleichgewicht, schlägt Lücken in das komplexe Zusammenwirken, dem wir unsere Existenz verdanken. Die Folgen bedrohen die menschliche Existenz. Corona ist dabei nur eine  von vielen Folgen. Die Einschränkungen, die Corona für das öffentliche und private Leben mit sich gebracht hat, sind nur eine kleine Vorübung zu den schon heute absehbaren Bedrohungen der nächsten Zeit.

 

Cittaslow

 
Homberg ist im Netzwerk lebenswerte Stadt aufgenommen worden, meldete die HNA.
Diese Meldung kommt genau in der Phase der Eröffnung des Einkaufszentrums. Gerade werden 7.800 Quadratmeter Verkaufsfläche für den Lebensmittelhandel eröffnet, der von Montag bis Samstag, von  morgens 7 Uhr bis abends 22 Uhr die Waren aus aller Welt anbietet. Dem wird der Wochenmarkt [6]als Baustein des Cittaslow-Konzeptes gegenüber gestellt, der einmal in der Woche für drei Stunden auf dem Marktplatz regionale Produkte anbietet, aber auch Schinken aus Tirol und sizilianischer Produkte.

Cittaslow nennt die notwendigen Voraussetzungen, welche die Städte für die Aufnahme in das Netzwerk der lebenswerten Städte schon erfüllt haben müssen, um aufgenommen zu werden.

"Kern der Vereinigung Cittaslow ist ein Katalog von Kriterien, von denen schon bei Beantragung der Mitgliedschaft mindestens 50 % erfüllt sein müssen. In diesem Sinne kann die Mitgliedschaft bei Cittaslow als Zertifikat oder gar Auszeichnung für bereits getätigte Maßnahmen und Aktivitäten verstanden werden."

Quelle [7]: "Lokale Qualitäten, Kriterien und Erfolgsfaktoren nachhaltiger Entwicklung kleiner Städte – Cittaslow", August 2013

Nach Aussage von Cittaslow Deutschland vom 11. Dezember 2020 hat die "starke Motivation" der Stadt für die Aufnahme in das Netzwerk gereicht.  Homberg habe "eine entsprechende Analyse vorgenommen und zu den Zielen und Kriterien von Cittaslow Stellung bezogen." Die Stadt habe sich zu „Nachhaltigkeit und Verbesserung der Lebensqualität verpflichtet".

Das neue Einkaufszentrum ist nur ein Beispiel, das im Widerspruch zu den Zielen der Cittaslow-Bewegung steht.

Cittaslow wird in Homberg zu einem Feigenblatt, das Schäden durch die eigene Fehlentwicklung verdecken soll.
Schade, eine gute und wichtige Bewegung wird in Homberg als Marketing missbraucht.