HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

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Geschichte des Hauses Kohlhaas, Ziegenhainer Straße 6

Foto: Das Haus ehemalige Bahnhofstr. 6, Homberg (Efze)

von Dr. Klaus Lambrecht

Im neuen Jahr, 2019, soll das Haus Ziegenhainer Str. 6 abgerissen werden, in dem zuletzt das Lokal Euro Döner betrieben wurde. Die Geschichte des Hauses ist eng mit den Eigentümern verbunden.

Daher möchte ich die Lebensgeschichte von Dr. Kohlhaas nach einem Bericht seiner in Kanada lebenden Tochter Alide Camilleri, geborene Kohlhaas wiedergegeben.

 

Gebaut wurde das Haus gegen Ende des 19 Jahrhunderts von Dr. med. Friedrich Reinhard, der dort seine Arztpraxis betrieb.

 
Dr. Fritz Joseph Theodor Kohlhaas, geboren am 24.12.1903 in Lüdenscheid/Westfalen, verstorben am 9.3.1951 in Homberg, kaufte die Praxis von Dr. Reinhard Anfang 1930 und praktizierte zunächst im Weißen Hof am Marktplatz. Nach dem Tod von Dr. Reinhard 1931 zog das Ehepaar Kohlhaas in das Haus damals noch Bahnhofstraße 6.

Im Jahr 1937 erfolgte der erste Um- und Anbau des Hauses, noch Bahnhofstr. 6.

Der vordere Anbau diente der Einrichtung eines Röntgenraumes. Der rückwärtige Anbau war Wintergarten und dessen Dach wurde als Balkon zur Gartenseite genutzt. Ebenfalls wurden die sanitären Anlagen im Haus der Zeit gemäß angepasst.

Frau Alide Camilleri, geb. Kohlhaas wurde am 2. März 1938 im Haus geboren und erhielt die Taufe ebenfalls im Haus, durch ihren Onkel Pfarrer Ernst Kohlhaas, dem jüngsten Bruder von Dr. Kohlhaas.

Dr. Kohlhaas wurde 1938 erstmals zur Wehrmacht eingezogen und war im Sudentenland stationiert. Nach seiner Entlassung für eine kurze Zeit wurde er erneut 1940 beim Angriff auf Frankreich eingezogen. Im Russlandfeldzug 1942 wurde er schwer verletzt, sein Chauffeur fand bei dem Angriff auf eisiger Straße den Tod.

Nach einem zweijährigen Aufenthalt im Krankenhaus konnte er 1944 seine Praxis in Homberg wieder eröffnen.

Zu dieser Zeit gab es kein Benzin mehr, darum nutzte Dr. Kohlhaas eine Kutsche, Pferd und Kutsche wurde ihm zugeteilt, um die Patienten auf dem Lande  besuchen zu können. Ein junger Ukrainer versorgte das Pferd und war der Kutscher, er wohnte ebenfalls im Haus und hatte freien Ausgang und war mit den Kindern von Dr. Kohlhaas befreundet, brachte Frau Camilleri das Reiten bei. Nach dem Einmarsch der Amerikaner verschwand er.

Als die Amerikaner in Homberg am 31. März, 1945 (Karfreitag) ankamen, wurde Dr. Kohlhaas von den Amerikanern aufgefordert, die verwundeten deutschen Gefangenen zu behandeln, das heutige Gymnasium diente als Lazarett. Das Haus Bahnhofstr.6 erhielt ein kleines Schild mit der Aufschrift “Off Limits“, damit das Haus nicht immer wieder durchsucht wurde. 

Für ein ganzes Jahr gingen Amerikaner im Haus Dr. Kohlhaas ein und aus, bis Dr. Kohlhaas 1946 plötzlich verhaftet wurde.

In Homberg ging das Gerücht um, dass Dr. Kohlhaas Mitglied der SS gewesen sei. Frau Camilleri weist darauf hin, dass dies nicht stimmt. Dr. Kohlhaas war zwar seit 1934 Parteimitglied und war auch mit Karl-Heinz Exter (Kreisleiter) befreundet. Frau Camilleri schreibt, dass es dadurch möglich war, dass ihr Vater jüdische Patienten in der Nacht besuchen konnte. Dr. Kohlhaas wurde ein Jahr lang in einem Lager in Darmstadt bis 1947 gefangen gehalten. Die Verhaftung erfolgte, weil Dr. Kohlhaas zu stolz war, der Entnaziffizierung zu entgehen. Die Entlassung erfolgte, weil er ein „minderwertiger“ Mitläufer gewesen sei. Rückblickend schreibt Frau Camilleri, dass die Inhaftierung aufgrund einer beginnenden Erkrankung gut gewesen sei. In einem amerikanischen Krankenhaus erhielt er Medikamente, die sonst in Deutschland nicht zu erhalten waren.

Dr. Kohlhaas starb am 9. März 1951 im Alter von 47 Jahren

Zunächst wollte Frau Kohlhaas die Praxis an den Assistenten Harry (Nachname unbekannt) übergeben, was jedoch nicht gestattet wurde. Es bestand die Aufforderung der Ärztekammer, die Praxis an Dr. med. Pörner zu übertragen. Frau Kohlhaas verkaufte dann das Gebäude an Herrn Weineck. Es erfolgte der Umbau für die Geschäfte Mausolf für Delikatessen und Textilgeschäft Hagemann im vorderen Anbau. Um 1951/1952 wurden die Geschäfte eröffnet. Frau Camilleri wanderte 1952 nach Kanada zu Verwandten aus. Ihre Mutter und Geschwister folgten ein Jahr später. Fotos: Die letzen Tage des Hauses Kohlhaas, die letzten Tagen einer Homberger Geschichte. Geopfert für die Geschäftsidee eines großen Einkaufszentrums. Ob es je kommen wird und wenn, für wie lange?

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2 Kommentare zu “Geschichte des Hauses Kohlhaas, Ziegenhainer Straße 6”

  1. Kritischer Bürger

    Danke für diesen Beitrag.

    Wieder einmal ein Beweis dafür, dass jedes Haus seine eigene Geschichte hat.

    Manchmal spiegeln sie die Geschichte in Homberg oder anderswo wieder, manchmal auch nur persönliche Erinnerungen der Eigentümer und Bewohner.

    Da die Zeit nicht stehen bleibt, werden immer wieder Gebäude zum Abriss "freigegeben".

    Es sei denn, der Denkmalschutz mischt sich ein….

    Es soll jedoch auch vorkommen, dass er dafür keine Notwendigkeit sieht, wie an den historischen Schirnen festgestellt werden konnte. Zwar wurden diese nicht abgerissen, jedoch die Front derart verändert, dass bei dieser Entscheidung kommerzielle Gründe wohl im Vordergrund standen. Dies werden viele Homberger bedauern, wie ich annehme.

    Allen Lesern, allen Kommentatoren und vor allem dem unermüdlichen Blogbetreiber mit seiner Familie wünsche ich von Herzen eine frohe Weihnacht und einen guten Rutsch in das Jahr 2019.

  2. Frustrierter

    Traurig nahm ich heute zur Kenntnis, dass die Geschichte des Gasthauses/Hotels Jütte ein unrühmliches Ende nahm.

    Die Werbung wurde abgebaut. Der neue Besitzer will anscheinend den Gastraum zu Wohnraum umfunktionieren, wie man hört.

    Besser als Leerstand und doch werden viele Homberger gern an die glorreichen Zeiten beim  Otto zurückdenken. Das Kneipensterben setzt sich in Homberg fort und nicht nur hier. 

    Aus Bayern hört man neue Töne. Landgasthäuser sollen zur Fortsetzung alter Traditionen finanziell unterstützt werden….

    Dem Holger Jütte wünsche ich für die Zukunft alles Gute, wenn ich manches auch nicht verstehe.

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