HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Hessentag oder Politik der Festivalisierung

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Seit ca. 15 Jahren gibt es den Begriff der Festivalisierung der Politik oder die Politik der Festivalisierung.

Bereits 1992 erschien ein längerer Beitrag in der ZEIT von Walter Siebel, Professor für Soziologie in Oldenburg der diesen neuen Politik-Typus beschrieb und untersuchte. Mit dem Hessentag ist dies in den letzen Jahren auch in Homberg Realität geworden, Grund sich die wesentlichen Aussagen einmal näher anzuschauen.

Hessentag in Homberg, Landesgartenschau in Bad Wildungen, Documenta in Kassel, Kulturhauptstadt in Essen oder Musik- Theaterfestivals, Filmtage, Stadtgeburtstage. Im ganzen Land konkurrieren die Städte mit Festivals um öffentliche Gelder und medial Aufmerksamkeit.

Ein neuer Typus von Politik scheint auf: die Politik der großen Ereignisse. Gelder, Menschen und Medien werden auf ein möglichst klar umrissene Ziel hin mobilisiert. Die Kampagne ist zeitlich befristet, räumlich begrenzt und publikumswirksam fokussiert.

Die Festivalisierung soll Identifikation stiften.

Festivalisierung als mediengerechte Inszenierung der Stadt.

Festivalisierung als Strategie der Schwächeren, denen die internationale Konkurrenz besondere Anstrengungen abverlangt, die sie nur ein Fest lang durchhalten können.

Aber die Konzentration der Politik auf die wenigen festivalisierbaren Highlights bedeutet auch, daß anderen, weniger grellen Aufgaben die eh schon knappen Mittel entzogen werden.

Mehr und mehr treten sekundäre, stadtpolitische Ziele in den Vordergrund.

Eine Bilanz hätte neben den wirtschaftlichen auch die sozialen und ökologischen Folgen sowie die Konsequenzen für die Struktur der Stadt und für die öffentlichen Finanzen zu klären. Keineswegs ist gesichert, daß eine solche Bilanz positiv ausfallen würde.

Die neugeschaffenen Arbeitsplätze sind selten qualifiziert und häufig befristet: Parkplatzwächter, Kartenverkauf er, Kellner, Taxifahrer . . .

Meist übernimmt der Fiskus siebzig bis achtzig Prozent der Gesamtkosten.

Gewinn- und Verlustrechnungen sind für öffentliche Einrichtungen schwer zu erstellen. Aber die Logik von Großveranstaltungen zwingt oft zu Investitionen, die nach der Veranstaltung überflüssig sind oder zu unbedachten Konsequenzen führen.

Große Ereignisse sind Subventionsumlenkungsmaschinen.

Sie schaffen Aufbruchsstimmung": Festivalisierung der Politik ist eine auf sich selbst gerichtete Innovationsstrategie der politischen Administration, eine Art Eigendoping. Es mögen Rauschmittel sein mit fragwürdigen Folgen.
Aber die Opposition hat nur die langweilige Nüchternheit des Alltags dagegenzuhalten. Auf das große Fest folgt zwar der Kater, doch wenn man im Rausch seine Wiederwahl arrangieren konnte…

…ein zentraler Grund für die Festivalisierung der Politik, das Großprojekt soll Handlungsfähigkeit demonstrieren und heterogene Interessen zu Mehrheiten zusammenbinden,

Wofür aber ist dann die kampagneartige Mobilisierung auf ein Projekt hin noch notwendig? Könnte es sein, daß eine Politik, die ihr eigenes Überflüssigwerden in den Augen der wahlentscheidenden Mehrheit ahnt, Projekte erfindet gleichsam als Selbstrechtfertigung? Festivalisierung der Politik als Inszenierung der eigenen Daseinsberechtigung?

Festivalisierung ist auch die gezielte Organisation des Wegsehens von den realen Problemen.

Schließlich verfestigt dieser Politiktypus die Vorstellung von Politik als Haupt- und Staatsaktion. Die Strategie der Festivalisierung fügt sich ein in ein elitäres Demokratiemodell. Festivalisierung dient dazu, Akzeptanz zu schaffen für eine von oben, innerhalb einer wirtschaftlichen und politischen Machtelite formulierte Politik.

Wenn Sie diese Sätze neugierig gemacht haben, hier ist der gesamte Beitrag zu finden.

Weiteres Material ist in einer Präsentation zu dem Thema zu finden.

Die Vereinigung der Stadt-, Regional- und Landesplaner hat 2006 ein Themenheft herausgegeben mit dem Titel: Event-Euphorie – zwischen Glücksgefühl und Katerstimmung . Dazu in einem späteren Beitrag mehr.

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3 Kommentare zu “Hessentag oder Politik der Festivalisierung”

  1. Mirko

    @ DMS

    Das sind viele schlaue Worte, die sie hier aus der Studie zitieren, und darüber zu diskutieren, halte ich für sehr sinnvoll.

    Ich mache jetzt mal eine andere These auf:
    Hessentag in Homberg, Landesgartenschau, documenta, Theater und Kulturfestivals sind doch Veranstaltungen, die Leute unterhalten sollen, gesellschaftliche Kontakte knüpfen, man trifft sich, plaudert miteinander, die Menschen sind fröhlich und man entkommt dem tristen Alltag.
    Vor allem sind diese Veranstaltungen Höhepunkte, in strukturschwachen Regionen wie hier in Nordhessen. Für mich wäre es hier nicht lebenswert, wenn es keine kulturellen Veranstaltungen in Nordhessen geben würde.
    Warum läuft der Kartenvorverkauf für diesen Hessentag wohl auf Rekordtouren? Hier oben ist nichts los, Kassel lockt keine großen Stars mehr wegen unpassenden Veranstaltungsorten an. Auch wenn es den Menschen immer schlechter geht, weil die Lebensunterhaltungskosten immer mehr ansteigen und der Staat die Bevölkerung immer weiter schröpft; wollen sie doch kulturelle Höhepunkte und etwas Action haben.

    In einem Punkte gebe ich Ihnen recht:
    Die Kommunen werden einen wirtschaftlichen Wettbewerb nie gewinnen, nämlich den Wettbewerb nach immer größer werdenden Veranstaltungen, wie es der Hessentag geworden ist. Da ist das Prinzip „back-to-basic“ wieder angesagt, eine Veranstaltung, die für jung und alt etwas bietet, und auch die Tradition nicht vergisst. Es muss nur in einem kleineren Rahmen abgehalten werden.

    Durch den Hessentag, Landesgartenschau etc. werden Investitionen getätigt, wovon die Menschen etwas dauerhaftes haben.
    In Bad Wildungen wurde ein schöner Grünstreifen geschaffen, wo es früher wie bei „Hempels-unterm-Sofa“ aussah. Ist jemand mal auf der Buga 07 im Gera/Ronneburg gewesen? Ohne ein Gartenfestival würden die Menschen heute noch im Dreck der ehem. DDR leben.

  2. markt

    @Mirko

    Ich denke, die Akzeptanz der großen „Events“ kommt auch gerade daher, dass die Menschen weniger Geld haben, weniger weite Urlaubsreisen machen können, mit denen sie protzen können – da ist solch ein Großereignis, was ja für jede Altersgruppe etwas bietet, eine wunderbare Alternative. Hier passiert etwas, wofür sie fast nur Fahrt- und Essenskosten haben, das Programmheft bietet jede Menge kostenlose Veranstaltungen an.

    Ich war in Gera zur Buga und fand es natürlich toll, dass es gerade dort so etwas Schönes gab. Wie Leipzig, in das ja auch unglaublich viel gesteckt wurde, sieht Gera heute wahrhaftig nicht mehr nach „ehemalige DDR“ aus.

    Ob diese Festivalisierung der Politik insgesamt richtig und langfristig gesund ist, bezweifle ich allerdings dennoch sehr, trotz der dauerhaft vorhandenen Investitionen.

  3. Barolle

    Zu den Kosten von Urlaubsreisen mit weniger Geld :

    1 Woche Flugreise Rotes Meer Hurgharda, gutes Mittelklassehotel, HP, DZ , Visa und Bustransfers sowie Zug zum Flug incl.
    ICE Nutzung 2 Personen 596 €.
    Schönes warmes Wetter, Swimmingpool sauber, sauberer Strand und Essen für eine Woche , ja sogar für 2 Wochen gut, abwechslungsreich, Zimmer und Service, Hotel selbst ohne Beanstandung ( habe über 20 Reisen nach Egypten ).
    Abends nette Unterhaltung und das Alles während der WM 2006 mit Großbildleinwand im Hotel
    täglich frische Hand und Badetücher, Fernsehen international incl auf dem Zimmer.

    Und jetzt mach mal nen Gegenangebot rund um den Hessentag.

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