HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Renaturierung Caßdorf über den Umweg Bebauungsplan

Renaturierung CaßdorfIn Caßdorf, östlich der Bundesstraße entlang der Efze bis unterhalb des Klärwerkes besteht eine vielfältige Auenlandschaft. Per Bebauungsplan soll sie renaturiert werden. Dazu gehört auch die Durchgängigkeit der Efze für Fische, die ohne unüberwindliche Barrieren wieder flußaufwärts wandern können sollen, aber auch Hochwasserschutz durch.
Überschwemmungsgebiete im Falle von Hochwasser.
Aber warum einen Bebauungsplan, wo doch gar nicht gebaut werden soll? Das fragen sich auch Fachleute außerhalb der Homberger Verwaltung. Bürgermeister Martin Wagner geht diesen Weg, um Ökopunkte zu erzielen. Um was geht es dabei?

Wert eines Biotops ermitteln
Wieviel ist ein artenreiche Wiese wert? Wieviel ein Feuchtgebiet? Um ökologische Wertigkeit vergleichen zu können, gibt es ein gesetzliches Verfahren, bei denen unterschiedliche Qualitäten mit Punkten bewertet werden. Dieses rechtliche Verfahren wird überall angewendet. Ein Bebauungsplanverfahren ist dafür nicht notwendig, dennoch hat Homberg diesen Weg gewählt. Als Begründung hieß es, dass man damit mehr Ökopunkte erzielen will. Durch einen Bebauungsplan "hat die Stadt mehr Einfluss auf die Verwendung von Ökopunkten, die durch die Aufwertung der Fläche entstehen."

Ein Bebauungsplan verursacht aber selbst Kosten. Geht die Rechnung auf? Dazu wurde der Magistrat befragt. Die Antwort findet sich unten in der Dokumentation.

Ökopunkte-Konto
Der Grundgedanke ist: Wird durch eine Baumaßnahme in die Natur eingegriffen und dadurch ökologische Werte zerstört, muss ein Ausgleich geschaffen, der Eingriff muss kompensiert werden; zum Beispiel durch andere Flächen an anderer Stelle, die ökologisch aufgewertet werden. Wird mehr kompensiert, als als durch den Eingriff notwendig war, dann können die überzähligen Ökopunkte auf einen Ökopunkte-Konto gutgeschrieben werden, die dann mit späteren Eingriffen verrechnet werden können.
Ein Guthaben an Ökopunkten entsteht als Differenz zwischen dem ursprünglichen ökologischen Wert und dem nach Bauabschluss tatsächlich erreichten Wert, sofern dieser größer ist.

Wie Homberg rechnet
Die Planung koster 8.238,37 Euro, die Baumaßnahmen 200.064,05 Euro, zusammen 208.302,42 Euro.
Nach der Maßnahme soll ein Ökopunkte-Überschuss von 205.048,00 Euro erzielt werden. Verlust = 3.254,42 Euro. Wäre auf das nicht notwendige Bebauungsplanverfahren in Höhe von 8.238,37 Euro verzichtet worden, dann wäre die Rechnung mit einem Gewinn ausgegangen.

Ob die vorgelegten Zahlen stimmen, kann angezweifelt werden.

Als die Aufstellung des Bebauungsplans am 28. Mai 2009 beschlossen werden sollte, empfahl der Magistrat:

" Durch die Aufstellung eines Renaturierungs-Bebauungsplanes hat die Stadt mehr Einfluss auf die Verwendung von Ökopunkten, die durch die Aufwertung der Fläche entstehen. "
Die Kosten der Bauleitplanung betragen ca. 8.300 €. Der zusätzliche Anteil an handelbaren Ökopunkten liegt bei ca. 100.000 Punkten = 35.000 €."

Im Mai 2009 errechnete man nur 35.000 Euro, im Oktober 2010 sind es 205.048 Euro. Eine Steigerung von rund 600 Prozent? Das macht misstrauisch. Welche Zahlen stimmen hier?

Finanzierung
Aus Förderprogrammen werden 85% der Kosten bezahlt. Von den verbleibenden 15 % übernimmt der Wasserverband Schwalm, bleiben für die Stadt die Kosten von 7,5 %. Bei einem Eigenanteil der Stadt von 7,5% stehen der Stadt auch nur 7,5% des Ökopunkte-Überschusses zu.

Die Antwort der Stadt wirft mehr Fragen auf, als beantwortet werden.
Die tatsächlichen Ergebnisse wird man nach Abschluss der Maßnahme mit den hier vorgelegten Zahlen vergleichen müssen.

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Dokumentation

Zu 1
Die Kosten für die beiden Bauleitplanverfahren betragen voraussichtlich, lt. Auftrag an das Planungsbüro vom 14.07.2010, 8.238,37 €.

Zu 2
Die Baumaßnahme ist mit 200.064,05 € veranschlagt.

Zu 3
Förderprogramm "Förderung von Maßnahmen, die der Wiederherstellung naturnaher Gewässer einschließlich ihrer Ufer und Auen dienen". Gefördert werden Planung, Grunderwerb, Gutachten, Bauausführung. Förderhöhe je nach Mittelverfügbarkeit des Landes, erwartet werden 85% (bereits bewilligte Maßnahmen mit 85% Förderung: Renaturierung Efze Mühlhausen, Renaturierung Efze Holzhausen / Relbehausen und Fischaufstieg Thalmühle Holzhausen). 50% des verbleibenden Restanteils trägt der Wasserverband Schwalm.

Zu 4
Die naturschutzfachliche Eingriffs- Ausgleichsbilanzierung zum Bebauungsplan erfolgt sowohl unter Heranziehung des sog. "Biotopwertverfahrens" wie auch nach der Maßnahmentragweite (verbal-argumentativ mit Flächenäquivalenten). Zur Überprüfung der Umwelterheblichkeit des Bebauungsplanes wird die Kompensationsverordnung (KV) herangezogen. Details zum erzielbaren naturschutzfachlichen Aufwertungsumfang sind im Umweltbericht zum Bebauungsplan dargestellt, der bei Bedarf bei der Bauverwaltung eingesehen werden kann.

Zu 5
Nach der überschlägigen Bilanzierung ergibt sich lt. Umweltbericht zum Bebauungsplan aus der Umsetzung der Maßnahmen ein Überschuss von 585.850 Biotopwertpunkten. Bei 0,35€/Ökopunkt entspricht das einem Wert von ca. 205.048,00 €. Dieser Wert ergibt sich aus dem Umweltbericht vom April 2010.

Bauverwaltung III a
18. Oktober 2010

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9 Kommentare zu “Renaturierung Caßdorf über den Umweg Bebauungsplan”

  1. Phil Antrop

    Hochwasserschutz?

    12.8.2017

    Caßdorf, Mühlhausen, Waßmuthshausen, Berge und die Homberger Kernstadt traf es ebenfalls.

    http://www.nh24.de/index.php/polizei/96139-2017-08-12-09-36-57

    7. 8. 2017

    Dr. ret.nat. Reiner Braun vom Planungsbüro Unger Ingenieure …. wies auf erste Erfolge hin.

    Rechnet man diese finanziellen Belastungen mit dem städtischen Kostenanteil der Maßnahme auf, würden sich die Kosten innerhalb von 10 Jahren amortisieren. Der Anteil der Stadt beträgt 7,5 % von  2,5 Millionen Euro.

    Pro Jahr 18 750 €!

    http://homberg-efze.eu/2017/08/10/rundfahrt-durch-flutmuldenareal-staatssekretaer-weinmeister-und-buergermeister-ritz-sahen-erste-erfolge/

  2. Phil Antrop

    Mark Weinmeister hatte sich schon vor Jahren für das Projekt des Hochwasserschutzes im Bereich der Efze zwischen Caßdorf und Berge eingesetzt. „Das Flutmulden-Projekt, das ich sehr lange begleitet habe, liegt mir sehr am Herzen.

    Wir haben seit 1990 Überlegungen angestellt, was wir für den Hochwasserschutz machen können.

    http://homberg-efze.eu/2017/08/10/rundfahrt-durch-flutmuldenareal-staatssekretaer-weinmeister-und-buergermeister-ritz-sahen-erste-erfolge/

    1990 Er ???

    "Zwischen 1987 und 1994 folgte ein Lehramtsstudium in Göttingen…..; Von 1995 bis 1997 Referendar in Melsungen und Guxhagen…; …von 1998 bis 1999 Lehrer Gesamtschule Gudensberg und Melsungen tätig."

    https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Weinmeister

  3. T. Chris

    @ Phil Antrop: Hier im Beitrag geht es um eine Renaturierung der Efze beim Klärwerk… (wo übrigens mit der Motorsense gemäht wird). Das Hochwasser in Caßdorf kommt durch die Ohe, die dann später hinter Caßdorf in die Efze fließt, die dann die Ohe-Wassermassen nach Mühlhausen usw. leitet. Einen vernünftigen Hochwasserschutz für Caßdorf gibt es nur dann, wenn zwischen Lützelwig und Caßdorf entsprechende Flächen geschaffen würden.

  4. Regine Hildenbrandt

    @Phil Antrop

    Als Anwohner eines der von Ihnen angeführten Dörfer, war jeder Cent der die Renaturierung gekostet hat es wert. Vor vier Jahren sind wir noch völlig abgesoffen und unsere Existenzen wurden mit jedem Hochwasser bedroht. Wer das noch nicht erlebt hat kann eine solch nachhaltiges Erlebnis kaum nachempfinden. Diesmal und vor wenigen Wochen wurden die Straßen überflutet, aber unsere Keller blieben zum Glück leer. Dafür sind wir sehr dankbar. Es fällt nämlich nicht leicht bei einem Dauerregen, wie gestern beruhigt schlafen zu gehen. Jeden Moment erwartet man das Geheule der Sirenen.

  5. Phil Antrop

    Ihre Information bzgl. des venünftigen Hochwasserschutzes kannte ich nicht und sie scheint auch anderen nicht zugänglich zu sein. Das Blickfeld war da scheinbar nicht weit genug.

    Da von Mühlhausen, Berge und auch von Hebel die Rede ist hinsichtlich der Wassemassen, dürfte auch die Efze eine Rolle gespielt haben. Da ja dort auch Renaturierungsflächen samt Brückenanpassung liegen.

    Oder sollte hier das Motto wie bei Straßen, Stromleitungen, Bahnlinien, Kraftwerken vorherrschen:

    Bei mir nicht – mein Strom kommt ja aus der Steckdose und ich nutze alles andere auch gerne – aber bitte nicht bei mir vor der Tür!

  6. Phil Antrop

     Ihre Information bzgl. des venünftigen Hochwasserschutzes kannte ich nicht und sie scheint auch anderen nicht zugänglich zu sein. Das Blickfeld war da scheinbar nicht weit genug.

    Da von Mühlhausen, Berge und auch von Hebel die Rede ist hinsichtlich der Wassermassen, dürfte auch die Efze eine Rolle gespielt haben. Da ja dort auch Renaturierungsflächen samt Brückenanpassung liegen.

    Oder sollte hier das Motto wie bei Straßen, Stromleitungen, Bahnlinien, Kraftwerken vorherrschen:

    Bei mir nicht – mein Strom kommt ja aus der Steckdose und ich nutze alles andere auch gerne – aber bitte nicht bei mir vor der Tür!

  7. Phil Antrop

    # Regine Hildenbrandt

    Die Erfolge stelle ich nicht in Abrede.

    Es ist nur kein Grund sich auf den Lorbeeren auszuruhen oder selbstzufrieden zurückzulehnen.

    Die Ereignisse zeigen es. Das wollte ich letztlich damit sagen.

  8. T. Chris

    @ Phil Antrop: Ja, natürlich war die Efze betroffen, weil die Ohe in diese mündet, bevor die Efze dann nach Mühlhausen usw. fließt. Die Efze selber führte vorgestern nicht viel Wasser, aber hinter Caßdorf mündete die übervolle Ohe hinein – und so wurde die Efze dann auch ein reißender Strom. 

    Und wie Regine Hildenbrandt schrieb: Es hat etwas gebracht. Zwar ist das Wasser nicht ganz weggeblieben, aber es war ganz nicht so schlimm wie sonst (bis auf Caßdorf, da gab es volle Keller). Man muss nurmal einen Spaziergang durch das Feld von Caßdorf nach Mühlhausen entlang der Flutmulden machen. Alles voll Wasser. Wo wäre es sonst, wenn es diese Mulden nicht geben würde?

    Caßdorfer Anwohner wünschen sich jedenfalls mehrheitlich einen Hochwasserschutz vor Caßdorf, da es dort hauptsächlich um die Ohe geht.

  9. Willi Wassermann

    an 4

    Liebe Frau RH aus HR !

    Sie schrieben: "…war jeder Cent der die Renaturierung gekostet hat es wert".

    Sie mögen kaum ahnen, wie sehr Sie Recht haben. Als bundesweit Flüsse begradigt wurden, geschah das mit enormem finanziellen Aufwand. Die Begründung lautete damals, es müsse mehr Fläche für die wirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln geschaffen werden, Landwirte müßten mit modernen Maschinen eine gerade Furche ziehen können, usw. .

    Jeder investierte Pfennig aus Steuergeldern lohnte sich, 1. für die Banken, 2. für den Beton- und Baggerunternehmer, 3. für den Landwirt, nicht zuletzt für die beteiligten Verwaltungsbeamten.

    Später wurde die gerade Furche in gerade Baufluchten "umgemünzt". Nun lohnte es sich wieder: 1. für die Banken, 2. für den Beton- und Baggerunternehmer, 3. für den Landwirt, nicht zuletzt für die beteiligten Verwaltungsbeamten.

    Einwände, die Auswirkungen auf Natur und Umwelt betreffend, wurden damals als Ökospinnerei, Fortschrittsfeindlichkeit, Naturromantik vergangener Jahrhunderte usw. diffamiert. Die, die es aussprachen wurden als Bedenkenträger, Verhinderer, Verweigerer bezeichnet.

    Heute feiern wir die Rückgängigmachung der Ignoranz von damals. Zu Recht, wie ich meine. Nun lohnt es sich wieder: für 1., 2. und 3. und nicht zuletzt für die beteiligten Verwaltungsbeamten.

    Was haben wir daraus gelernt? Nichts.

    Einwände, die Auswirkungen unseres heutigen Handelns Natur und Umwelt betreffend, werden diffamiert.

    Aber es wird sich wieder lohnen, darin bin ich zuversichtlich.

    Bitte fühlen Sie sich verstanden und herzlich gegrüßt!

    Ihr Willi Wassermann

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