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Rückbau des Rechts der komunalen Selbstverwaltung

Foto: Leerstand im Neubau des Fachmarktcenters Kasseler Straße.

Neu gebauter Leerstand – 2016

Vor vier Jahren beschloss die Mehrheit der Stadtverordneten das Fachmarktcenter in der Kasseler Straße / Ecke Nordumgehung. Der Neubau  für den Getränkemarkt steht seitdem leer.  Die weiteren Gebäude für den Tierfuttermarkt, den Elektromark mit dem Monoglisch-chinesischem Restaurant im Obergeschoss und die Tankstelle wurden beschlossen aber nicht gebaut. Die Einwände gegen diese Planung wurden damals ignoriert, so wie Einwände zum Einkaufszentrum heute wieder ignoriert werden. Zu dem Einwand, dass 100 Meter entfernt bereits eine Tankstelle besteht, lautete die Abwägung:

Die Hinweise werden zur Kenntnis genommen. Die Tankstelle inkl. festgesetzten Tankstellenshop soll Bestandteil der Planung bleiben.

Stefan Gerlach (SPD) laut Protokoll 2016

Er möchte allen Investoren Chancen geben. Die Stadt könne über jeden Investor froh sein, da man schon länger keine attraktiven Einkaufsmöglichkeiten mehr besitze.

Das Projekt in der Nordumgehung sei eine klare Verbesserung des Angebots Hombergs, auch weil eine neue Gastronomie geplant ist. Die SPD werde der Änderung zustimmen.

Was aus der damaligen Planung geworden ist, sehen wir. Statt aus der Erfahrung zu lernen, wird weiter gemacht, als ob sich nichts verändert hätte.
 

Wiederholung – 2020

Heute Abend wird in der Stadtverordnetenversammlung wieder ein Teil der Demokratie zurück gebaut. Die Mehrheit der Stadtverordneten werden wohl wieder die Punkte zum  Einkaufszentrum abnicken. Sollte es anders kommen, wäre das schon ungewöhnlich.

Im Grundgesetz wurde die kommunale Selbstverwaltung in Artikel 28 [1]  verankert. Dabei gingen die Verfasser davon aus, dass möglichst viel auf der kommunalen Ebene selbst entschieden werden soll, weil vor Ort die besten Kenntnisse über die Gegebenheiten vorhanden sind und die Bürger auch die Folgen letztlich zu tragen haben. Außerdem war damit die Hoffnung verbunden, so eine Demokratisierung der Gesellschaft abzusichern. Die Kommunen haben deshalb die Haushalts- und die Planungshoheit erhalten, das heißt sie entscheiden selbst wie sie die Finanzen einsetzen und wie sie die Flächen der Gemeinde nutzen oder wie sie bebaut werden dürfen. Einen Rahmen setzt nur die übergeordnete Regionalplanung.

 

Beteiligung der Bürger an der Planung

Die Stadtverordneten entscheiden über die Bauleitplanung, sie setzten mit den Bebauungsplänen die örtlichen Satzungen. Sie steuern damit die Entwicklung in der Gemeinde. Die Bürger sind nach dem Gesetz daran zu beteiligen. Die Planentwürfe müssen öffentlich ausgelegt werden, jeder kann dazu Einwände und Anregungen vorbringen. Die Stadtverordneten müssen sich mit allen Eingaben beschäftigen und sie gegeneinander abwägen. Dazu gibt es ein rechtlich ausgefeiltes Regelwerk. Der Einwand muss formuliert und gewichtet werden. Er ist gegenüber den Positionen im Plan abzuwägen, dazu müssen die beiden Gesichtspunkte gegenüber gestellt und abgewogen werden. Die Abwägung muss begründet werden. Soweit die juristische Ausgestaltung. Die Praxis sieht ganz anders aus.

Das Planungsbüro, das den Plan ausgearbeitet hat, bekommt die Einwände vorgelegt und entwirft dazu eine "Abwägung [2]". Häufig heißt es so:

Der Hinweis wird zur Kenntnis genommen.

Die Stellungnahme und Hinweise werden zur Kenntnis genommen und beachtet.

Manchmal reicht ein kurz hingeworfener Satz, oder ein Einwand wird einfach entstellt und dann scheinbar begründet abgelehnt.

 

Drei Beispiele
 

Beispiel 1: Einwand zu der Hitzeentwicklung auf dem schattenlosen Großparkplatz
 
Der Einwand:

Der  Großparkplatz  wird  zu  einem  Hitzepunkt  in  der Stadt  werden,  er  ist  schattenlos. 
In  der  Beschreibung zur Änderung des Bebauungsplan 66-1 heißt es: 
"und  der  geringen Anteile  an Vegetationsflächen ist im Plangebiet von einer Tendenz zur Überwärmung und daher einem belasteten Bioklima auszugehen."  

Seit Jahren wird über Hitzebelastungen in den Städten gesprochen. In Homberg wird so gebaut, dass das städtische Klima weiter belastet wird. Es ist unverständlich, dass ein renomiertes Planungsbüro wie ANP eine solch negative Planung unterstützt.

Die "Abwägung"

Die  Stärkung  der  Attraktivität   des  Standortes  im zentralen  Versorgungsbereich  der  Stadt  Homberg (Efze)  hat  hier  Priorität.  Entsprechender  Ausgleich wurde  im  Rahmen des derzeit rechtskräftigen Bebauungsplanes Nr. 66 erbracht.


Beispiel 2  Fehlende Nachhaltigkeit

Der Einwand:

Die Nachhaltigkeit des Gesamtbauwerkes ist nicht gegeben, die großen fensterlosen Verkaufsflächen werden bei der weiteren Veränderung des Einkaufsverhaltens nur schwerlich eine Nachnutzung finden. Damit ist die Nachhaltigkeit nach den Kriterien der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen nicht gegeben.

Die "Abwägung"

Der Einwand ist Rabulistik. Dass die Nachhaltigkeit des Gesamtbauwerkes nicht gegeben sei oder eine Nachnutzung nicht gefunden werden könne, ist in keiner Weise belegt.


Beispiel 3: Außenterrasse an der Ziegenhainer Straße

Der Einwand

Wenn der Vorhabenträger die Grundstücksflächen nicht an die Stadt überträgt, könnte das als eine unzulässige Begünstigung des Vorhabenträgers angesehen werden. Die Fläche vor der gültigen Baufluchtlinie in der Ziegenhainer Straße ist so eine Fläche. Auf ihr soll die Terrasse für die Außengastronomie gebaut werden.

Die "Abwägung"

Die Außenterrasse auf dem Bürogebäude ist der Nutzung des Bürogebäudes zugeordnet und betrifft nicht die öffentliche Nutzung des Foodcourts.

 
Planungsbüros brauchen sich keine große Mühe zu machen, sie können sicher sein, dass niemand diese "Abwägungen" gerichtlich prüfen lässt, denn das kostet Geld. Auch ehrenamtlich tätige Stadtverordnete tun das nicht. Vor Gericht landen die "Abwägungen" nur, wenn gewichtige wirtschaftliche Interessen beteiligt sind, die Klagen nach sich ziehen könnten. In solchen Fällen wird dann ordentlich gearbeitet, damit es bei Gericht durchkommt. Für die Masse der Bebauungspläne reicht der Anschein einer Abwägung, so wie sie zum Einkaufszentrum nachzulesen ist.

Es soll später keiner sagen, es sein nicht bekannt gewesen, wie Demokratie abgebaut wird. Alltäglich, in vielen Kommunen. Selten wird es angesprochen.