HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Selbstdarstellung statt Antworten

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Foto oben: rechts Flachbau des ehemaligen Supermarktes, der zu einem Multifunktionshaus umgebaut  und mi 2,7 Mio. Euro gefördert werden soll.

Foto unten: links denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zum größten Teil abgerissen wurde und durch einen Betonbau ersetzt wird für den Neubau eines Multifunktionshauses.

 

Über die unabhängige Internetplattform abgeordnetenwatch.de können Abgeordnete verschiedener Parlamente öffentlich befragt werden.
Der Bundestagsabgeordnete für den Homberger Wahlkreis Dr. Edgar Franke (SPD) wurde zu den Fördermitteln für das Multifunktionshaus in Homberg befragt. Er reagierte mit wenigen Zeilen und beantwortete die Fragen nicht. Dennoch ist seine Reaktion aufschlussreich und zeigt, wie weit die demokratische Kultur im Land schon zerstört ist. In Zeiten von Skandalen wie Cum Ex und Wirecard finden sich vergleichbare Vorgänge auch auf kommunaler Ebene.

Eine Analyse

 

Drei Fragen an Dr. Edgar Franke

Sehr geehrter Herr Dr. Franke,

im März 2017 haben Sie sich dafür eingesetzt, dass Homberg 2,7 Mio. Euro Fördermittel erhält, damit ein ehemaliger 540 qm größer Supermarkt am Marktplatz 15 im Erdgeschoss und mit einem rückwärtigen Anbau zu einem Multifunktionshaus umgebaut werden kann.

Das Multifunktionshaus soll von Vereinen genutzt werden, die kreisweit wohnortnahe Angebote der Elternschule, der Musikschule und der AWO anbieten.

Die Fördermittel wurden aus dem Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen für Sport, Jugend und Kultur“ bewilligt. Der ehemaligen Supermarkt war keine kommunale Einrichtungen und wurde auch nicht saniert sondern abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Statt der regulär 45-Prozent Förderung erhielt Homberg 90 Prozent von 3,0 Mio. Euro Baukosten, begründet mit der Haushaltsnotlage der Stadt.
Bei 540 qm ergibt das einen Baupreis von 5.555 €/qm.

Trotz Haushaltsnotlage wurden noch zwei benachbarte Grundstücke für das Projekt hinzu gekauft.

Der Supermarktanbau und der größte Teil des denkmalgeschützten Fachwerkhauses wurde abgerissen. Begründung: Schadstoffbelastet, höchste Gefährdungsklasse, Einlagerung in Untertagedeponie erforderlich.

Ein Entsorgungsnachweis konnte nicht vorgelegt werden. Der Staatsanwalt nahm keine Ermittlungen wegen illegaler Schadstoffbeseitigung auf.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR fördert trotzdem.

• Halten Sie diese Verstöße gegen den Bewilligungsbescheid und die Förderrichtlinien für zulässig und zweckmäßig?

• Viele Kommunen können die Fördermittel nicht nutzen, weil sie den Eigenanteil nicht finanzieren können.
Halten Sie es für gerecht, wenn das Homberger Projekt trotz zahlreicher Verstöße gegen Richtlinien und Auflagen gefördert wird?

• Halten Sie es mit einem Rechtsstaat vereinbar, wenn mit einer vorgetäuschten Schadstoffbelastung der Denkmalschutz ausgehebelt wird und dieses Vorgehen nicht sanktioniert wird?

Fragen von Delf Schnappauf

 

Reaktion

Sehr geehrter Herr Schnappauf,

in der Tat habe ich mich für die Revitalisierung der Homberger Innenstadt eingesetzt und den im Rahmen des Programms „Sanierung kommunaler Einrichtungen für Sport, Jugend und Kultur“ gestellten Antrag persönlich unterstützt, ihn auch in Berlin begleitet und mit entsprechenden Institutionen Kontakt aufgenommen. Die Umsetzung der Maßnahmen liegt aber in der Verantwortung der Stadt Homberg.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Edgar Franke

Ritz dankt Franke für seinen Einsatz in Berlin

 

Zeitungsausschnitt: HNA 9. März 2017

 

 

 

 

 

 

 

 

Facebook-Meldung von Dr. Edgar Franke vom 11. März 2017
Die Fördermittel von 2,7 Mio. seien für die Gestaltung des Marktplatzes bestimmt. Die Zweckbestimmung schien beliebig zu sein.

 

 

Keine der Fragen wird von Edgar Franke MdB beantwortet

Dr. Franke hat einen Antrag der Stadt auf Fördermittel persönlich unterstützt. Was muss man sich darunter vorstellen: Den Antag "auch in Berlin begleitet und mit entsprechenden Institutionen Kontakt aufgenommen". Damit belegt Dr. Franke, dass es bei den Behörden möglich ist, einem Antrag durch entsprechendes Lobbying bessere Chancen einzuräumen. Kommunen, die ihre Anträge einreichen und darauf vertrauen, dass sie entsprechend der Kriterien beurteilt werden, haben schlechtere Chancen. Das persönliche Vorsprechen hat Vorrang vor den Fakten.

Für seinen persönlichen Einsatz bei den "entsprechenden Institutionen" nutzte Dr. Franke den größten Teil seines knappen Textes. Er unterstreicht damit seine "Leistung", stellt sich als Unterstützer für Homberg dar. Das ist erst einmal Selbstdarstellung. Er will ja im Herbst wieder gewählt werden. Als Direktkandidaten hat die SPD ihn bereits aufgestellt.

Auszug aus dem Protokoll der Stadtverordnetenversammlung

Auszug von der Homepage der Stadt zu der Stadtverordnetenversammlung.
Bereits von dem Förderantrag stand die weit überhöhte Baukostensumme fest.

 

 

Mit seiner persönlichen Unterstützung hat Dr. Franke erreicht, dass Homberg Fördergelder bekommt, obwohl die Voraussetzungen für das Programm gar nicht vorlagen.

 

# In dem Erdgeschoss des Marktplatz 15 gab es keine öffentliche Einrichtung des Sports, der Jugend oder der Kultur, die saniert werden konnte. Es gab nur einen leerstehenden Supermarkt.

# Der Stadt wurde die erhöhte Förderung von 90 Prozent der Baukosten bewilligt, die nach den Regeln nur für Kommunen mit einer Haushaltsnotlage bestimmt sind. Die Regelförderung beträgt 45 Prozent der Baukosten. Die Stadt war zeitgleich in der Lage weitere Grundstücke zu kaufen. In der letzten Stadtverordnetenversammlung wies Bürgermeister auf die gute Haushaltslage hin. "Die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Vorjahre seien hierfür ein Grund, so Dr. Ritz." Das steht im Widerspruch zu der behaupteten Haushaltsnotlage.

# Das Projekt Multifunktionshaus sollte in dem ehemaligen Supermarkt realisiert werden. Dieser Plan war Grundlage der Bewilligung. Abweichungen von den bewilligten Plänen sind bei bewilligten Förderprojekten erst einmal nicht erlaubt. Begründete Abweichungen können als Ausnahme bewilligt werden.
 Bei diesem Projekt ging es von  vornherein schon um eine Vergrößerung des Projektes. Die Einbeziehung des hinzugekauften Hauses war schon längst vorgesehen, bevor es öffentlich wurde. Das erklärt auch die überhöht angesetzten Umbaukosten für den Supermarktbereich, die damit bei 5.555 Euro/qm lägen. Dies hätte schon auf Grund der fehlenden Wirtschaftlichkeit nicht genehmigt werden dürfen. Durch den Zukauf wurde die geplane Geschossfläche für das Multifunktionshaus von 540 auf 750 Quadratmeter erweitert.  Damit sinkt der Baupreis je Quadratmeter auf  4.000 Euro. Auch das ist noch ein hoher Preis, schon sind weitere Kostensteigerungen angekündigt. Einschließlich der Grundstückkosten wird das Projekt bei 4,0 Mio. Euro liegen. Am Ende dann doch wieder bei 5.400 Euro/qm.

siehe RZBau, Richtlinien für die Durchführunge von Zuwendungsbaumaßnahmen
 

# Das Fördermittelprogramm war an Bedingungen geknüpft. Es sollte ein Architektenwettbewerb durchgeführt werden, es sollte schnell realisierbar und bis Ende 2020 es abgeschlossen sein. Keine der Auflagen wurde erfüllt, doch das schadete der Stadt nicht. Offensichtlich hat die persönliche Unterstützung und der Kontakt zu den beteiligten Institutionen geholfen, dies Bedingungen schadlos zu umgehen.

# Trotz der angeblichen Haushaltsnotlage der Stadt wurden zwei weitere Grundstücke und Gebäude hinzugekauft. Der Supermarkt wurde abgerissen, und auch der größte Teil eines der hinzugekauften historischen Fachwerkgebäudes. Der bestehende Status als Kulturdenkmal konnte umgangen werden, indem eine gefährliche Schadstoffbelastung "festgestellt" wurde.

# Der vorgeschriebene Entsorgungsnachweis für das schadstoffbelastete Baumaterial konnte nicht vorgelegt werden, denn es gab keine gefährlichen Schadstoffe. Der Fördermittelgeber, das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), wurde über die Abweichungen  wiederholt informiert, ohne dass es negative Auswirkungen auf die Fördermittel hatte.
Die persönliche Unterstützung durch Dr. Franke war offensichtlich weitreichend wirksam.

Das alles muss auch dem Bundestagsabgeordneten Dr. Franke bekannt sein. Er ist Jurist, hat juristische Beiträge veröffentlicht. Er war fachlich in der Lage diese Vorgänge juristisch einzuordnen und unterstützte das Projekt trotzdem.
  

Die Mitspieler

Der persönliche Einsatz von Dr. Franke ist die eine Seite. Es konnte nur erfolgreich sein, wenn die von ihm angesprochenen Personen in den Institutionen darauf eingingen und mitspielten.  Es spielten viele mit. Die Leitung und die Mitarbeiter des BBSR. Das Amt für Denkmalpflege, die bautechnische Prüfung. Deutlich geht es aus einem Brief von der zuständigen Mitarbeiterin im BBSR hervor.


Auszug aus einem Schreiben des BBSR vom  01.04.2019, in dem das BBSR feststellt , dass die Stadt das Fördervorhaben "verfahrens- und zuwendungsrechtlich konform betreibt"

Das BBSR erklärt auf seiner Internetseite, dass die Auswahl der Förderprojekte nach fachlichen Kriterien erfolgen soll. Auch bundesweit soll eine angemessene Verteilung in Anlehnung an den Königsteiner Schlüssel erfolgen. Die schriftliche Erklärung von Dr. Franke lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob die Auswahl so erfolgte, wie sie dargestellt war.


Über die Verantwortung

Im zweiten Satz seiner Stellungnahme schreibt der Bundestagsabgeordnete Dr. Franke:

 "Die Umsetzung der Maßnahmen liegt aber in der Verantwortung der Stadt Homberg."

Nach der Verantwortung ist nicht gefragt worden. Dr. Franke war es aber wichtig, die Verantwortung der Stadt zu betonen, so als hätte er damit nichts zu tun.

Sicherlich ist die Stadt Homberg verantwortlich, genauer der Magistrat mit dem Bürgermeister an der Spitze. Aber nicht allein. Verantwortlich ist auch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dass die Fördermittel aus dem Programm "Sanierung öffentlicher Einrichtungen Sport, Jugend, Kultur" verwaltet.
 

Unbeantwortet bleiben die drei Fragen

  
Frage 1:
  "Halten Sie diese Verstöße gegen den Bewilligungsbescheid und die Förderrichtlinien für zulässig und zweckmäßig?"

Dr. Franke ist nach seiner persönlichen Meinung gefragt. Er schweigt.

Zulässig: Das ist eine Frage an den Juristen Dr. Franke, nach der Rechtmäßigkeit? Er schweigt.

Zweckmäßig: Als Bundestagsabgeordneter wirkt Dr. Franke an den Gesetzen und der Verteilung der Staatsfinanzen mit. Ist es zweckmäßig, die Mittel in persönlichen Kontakten vorbei an den verbindlichen Regeln zu verteilen, ohne auf die Wirtschaftlichkeit und Nützlichkeit zu achten?

  
Frage 2:
  "Viele Kommunen können die Fördermittel nicht nutzen, weil sie den Eigenanteil nicht finanzieren können.
Halten Sie es für gerecht, wenn das Homberger Projekt trotz zahlreicher Verstöße gegen Richtlinien und Auflagen gefördert wird?

Eine Frage nach der gerechten Verteilung von Fördergeldern zwischen den Kommunen: Dr. Fanke hat sich dafür eingesetzt, dass Fördergelder zur Sanierung öffentlicher Einrichtungen für eine Gebäude eingesetzt wird, in dem gar keine öffentliche Einrichtung vorhanden ist.
Zu der Frage nach der Gerechtigkeit schweigt der Bundestagsabgeordnete.
Die verkündete Projektauswahl nach sachlichen Kriterien und nach einer bundesweiten Verteilung wird so unterlaufen.

  
Frage 3:
"Halten Sie es mit einem Rechtsstaat vereinbar, wenn mit einer vorgetäuschten Schadstoffbelastung der Denkmalschutz ausgehebelt wird und dieses Vorgehen nicht sanktioniert wird?"

Auch die Frage nach der Vereinbarkeit der beschriebenen Vorgänge mit dem Rechtsstaat bleibt unbeantwortet. Ein Volksvertreter, der selbst an Gesetzen mitwirkt, beantwortet die Frage nach dem Recht nicht. Dieses Schweigen zu solch betrügerischem Umgang mit Fördermitteln kommt einer stillschweigenden Zustimmung gleich.

 

Anzumerken ist noch, dass die AWO in das Gebäude mit einzieht. Dr. Franke ist Mitglied der AWO. Bisher liegt noch kein Konzept vor, wie sich die Vereine an der Miete und den Betriebskosten beteiligen. Bisher ist das ganze Projekte eine freiwillige Leistung für die kreisweit tätigen Vereine.
  

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