Die Sprache verrät oft mehr als der Sprecher beabsichtigt, bei genauem Hinhören offenbart sich der Geist, der hindurchklingt.
Zwei Beispiele aus Homberg
1. Übel ausmerzen [1]
Hr4 sendete am 16.1.2009 eine Nachricht über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Herrn Dreytza, der sie nur annehmen will, wenn die Ehrenbürgerwürde von Hitler und Göring aufgehoben wird. Dazu äußert sich der Stadtverordnetenvorsteher Bernd Pfeiffer:
"Ich habe davon gehört, habe mich mit unserem Bürgermeister kurz geschlossen. Wir haben gesagt, in der nächsten Stadtverordnetensitzung wird dieses Übel ausgemerzt."
a) Der Stadtverordnetenvorsteher wendet sich an den Bürgermeister, die gemeinsam beschließen das Übel auszumerzen. Sie greifen damit der Stadtverordnetenversammlung vor, nur die kann diese Entscheidung treffen. In dem Satzteil wird sichtbar, dass der Bürgermeister über die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung bestimmt, was wohl auch den Tatsachen entspricht, insofern sich die Mehrheitsfraktionen von ihm bestimmen lassen.
b) Der Stadtverordnetenvorsteher sagt nicht: ich habe mich mit den Fraktionen kurzgeschlossen und alle haben signalisiert, dass sie einen Aufhebungsbeschluss zustimmen werden. Das wäre der korrekte Weg.
c) Welches Übel soll ausgemerzt werden? Dass die Ehrenbürgerschaft in Homberg noch nicht aufgehoben worden ist? Dass Homberg durch dieses Übel wieder hessenweit bekannt gemacht wird? Dass Herr Dreytza beharrlich auf der Aufhebung besteht?
Wohl oder Übel, schwarz oder weiß, richtig oder falsch, Freund oder Feind. Ein solches Denken atmet keinen demokratischen Geist.
d) "ausgemerzt": Dieses Wort ist in der NS-Zeit sehr beliebt gewesen. Es entsprach damals der "political correctness".
Literaturhinweis: Victor Klemperer: LTI – Lingua Tertii Imperii. Notizbuch eines Philologen. 15. Auflage, Reclam, Leipzig 1996, ISBN 3-379-00125-2;
2. Protokollarische Rangordnung
Anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 9. November in 2008 wurde Herr Pfeiffer von den Veranstaltern mit den Worten: "In Vertretung von Herrn Bürgermeister Wagner spricht Herr Pfeiffer" vorgestellt.
Herr Pfeiffer ist als Stadtverordnetenvorsteher Vertreter der Bürgerschaft, er steht protokollarisch an erster Stelle. Der Bürgermeister wird von der Stadtverordnetenversammlung beauftragt und kontrolliert. Wenn der Stadtverordnetenvorsteher als Vertreter des Bürgermeisters auftritt, unterstellt er sich dem Bürgermeister und dreht die demokratische Ordnung auf den Kopf.
Kommentare sind deaktiviert Empfänger "Was die Sprache verrät"
#1 Kommentar von Barolle am 2009 Januar 18 00000001 2:21 pm 123228490302So, 18 Jan 2009 14:21:43 +0100
“Ich habe davon gehört ….” implementiert doch auch seine Unwissenheit.
Genauso wie man all die Jahre in Homberg “Unwissend” war.
Andere Bürger waren aufmerksamer und schneller :
[2]
Oder man hätte hier lesen können:
[3]
Demokratieverständnis :
Na ja. Ist wohl ein wenig überspitzt betrachtet.
Denn es war nicht Herr Pfeiffer, sondern die Veranstalter die ihn vorgestellt haben.
Sie brachten damit wohl eher zum Verständnis das der Bürgermeister nicht konnte.
Nicht alles ist es wert auf die Goldwaage gelegt zu werden.
Aus dem Alltag betrachtet ist es doch immer der gleiche Personenkreis der agiert.
Welche Position man auch gerade bekleidet.
Oder meint hier etwa einer, das, wenn Herr Pfeiffer oder Herr Wagner* hustet, nicht gleich alle springen ?
* Liste unvollständig
#2 Kommentar von Mahner am 2009 Januar 18 00000001 3:16 pm 123228817003So, 18 Jan 2009 15:16:10 +0100
Aber Herr Dreytza hat auch nicht der Stadtverordnetenversammlung zu bestimmen.
Damit macht er sich mit denen gemein, die er angegriffen hat.
Überhaupt hat er auch diktatorische Züge an den Tag gelegt.
Er wollte doch Pranger aufstellen, etc. etc..
Hier gibt sich keiner was.
#3 Kommentar von Mahner am 2009 Januar 18 00000001 4:49 pm 123229375004So, 18 Jan 2009 16:49:10 +0100
Was ist schlimmer?
Ausmerzen oder Pistole auf die Brust setzen?
Also bitte fair kritiesieren.
Beide Äußerungen sind niveaulos. Sie zeigen, wie es wirklich um die Gesinnungen der Herren steht.
#4 Kommentar von Barolle am 2009 Januar 19 00000001 6:30 pm 123238620706Mo, 19 Jan 2009 18:30:07 +0100
Na dann haben wir in Hessen jetzt eine neuzeitliche politische Variante: “ausjanuaren”.
#5 Kommentar von Xeon am 2009 Januar 19 00000001 11:37 pm 123240467311Mo, 19 Jan 2009 23:37:53 +0100
Das obige Zitat stammt aus der Sendung “Der Tag in Hessen” und war am 16. Januar 2009 im Hessischen Rundfunk zu hören.
Die Sendung kann unter folgendem Link als Audio-Podcast (mp3) heruntergeladen werden: [4]
Ab Minute 2 äußern sich Dreytza und Pfeiffer zur Diskussion über die Ehrenbürgerwürde von Hitler und Göring.
#6 Kommentar von Xeon am 2009 Januar 27 00000001 1:08 pm 123305811601Di, 27 Jan 2009 13:08:36 +0100
Am 26. Januar berichtete der Hessische Rundfunk über den Beschluss der Stadtverordneten Hitler und Göring die Ehrenbürgerwürde der Stadt Homberg abzuerkennen.
Zu Wort kommen neben dem Stadtverordnetenvorsteher Pfeiffer, dem Neu-Ehrenbürger Dreytza auch einige Bürger der Stadt.
Der Beitrag kann auf der Webseite des hr angehört werden:
[5] (hr-online)