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Ausstellung in der BTHS: Luther als radikaler Antisemit

Dr. Martin Luther, ein radikaler Antisemit

Die Bundespräsident-Theodor-Heuss-Schule stellt als Beitrag zum Reformationsjubiläum Arbeiten von Schülern  aus, die sich im Kunstgrundkurs mit Luthers Antisemitismus auseinander gesetzt haben.
Die Ausstellung ist vom 8. Mai bis 30. Juni 2017 zu den Schulöffnungszeiten im Foyer/Vestibül des Altbaus jederzeit zugänglich, heißt es in einer Pressemitteilung.
 

Oberstudienrat Thomas Schattner schreibt dazu:

Martin Luther hat zweifellos Großartiges in seinem Leben vollbracht und tiefe Spuren bis in unsere Gegenwart hinterlassen. Dennoch wissen die heutigen Zeitgenossen eigentlich recht wenig über das Leben des Reformators. Normalerweise beschränkt sich das Wissen auf den Thesenanschlag, die Übersetzung der Bibel und Luthers geistiges Duell mit dem Papst.

Luther war aber ein typischer Zeitgenosse, der in einer Zeit großer Veränderungsprozesse zwischen zwei Welten lebte. Einerseits war Luther noch z.T. geistig dem Mittelalter verhaftet, andererseits war er in Teilen im Denken unglaublich modern. Dass dabei auch ambivalente Charakter entstehen, ist historisch häufig zu beobachten. Luther steht für die göttliche Gnade und für radikale Heilsversprechen, aber auch für die radikale Verdammnis. Und dies traf, je älter Luther wurde, nicht nur, aber besonders die jüdische Minderheit in den deutschen Territorien. Dass diese Tatsache auch im Reformationsjahr beleuchtet werden muss, ist eigentlich eine selbstverständliche intellektuelle Redlichkeit.

In seiner ersten Schrift „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“ aus dem Jahr 1523 äußert Luther noch die Hoffnung, dass sich viele Juden für die reformatorischen Gedanken begeistern können und dementsprechend konvertieren. Rund zwanzig Jahre später sieht das Luther ganz anders. In seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) heißt es u.a.: „Kein blutdurstigeres und rachgierigeres Volk hat die Sonne je beschienen“.
Des Weiteren gibt Luther in sieben detailliert ausformulierten Punkten Handlungsanweisungen, wie mit den Juden zu verfahren sei. U.a. rät er die Synagogen zu verbrennen, die Wohnhäuser der Juden zu zerstören, das jüdische Hab und Gut zu konfiszieren, den Juden die Geldgeschäfte zu verbieten und sie stattdessen zu harter körperlicher Arbeit zu zwingen. Die Bilanz seiner Vorschläge fasst Luther am Ende wie folgt zusammen: „Darum nur weg mit ihnen!“. Dazu schrieb das Magazin „Der Spiegel“ in seiner Ausgabe 44/2016: „Das war auch die Sprache und das Denken der Pogrome und der Vernichtung im 20. Jahrhundert“. Passend dazu bezeichnete das Magazin den Reformator im gleichen Artikel als den ersten „Wutbürger“ der deutschen Geschichte.

Luthers Antisemitismus nahm der Kunstgrundkurs der Jahrgangsstufe 12 von Oberstudienrat Schattner zum Anlass, thematisch dazu zu arbeiten. Auf diese Weise entstanden Plakate zum Thema, die in einer kleinen Ausstellung im Altbau der BTHS nun in Kooperation mit der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ präsentiert werden. Dabei war die technische Umsetzung den Schülern frei gestellt. So entstanden malerische und zeichnerische Werke, aber auch Plakate, die am PC gestaltet wurden. Im Weiteren visualisieren u.a. zahlreiche Exemplare einer Luther-Gesamtausgabe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die zum Bestand der alten Seminarbibliothek gehört, Luthers Antisemitismus.

Dass dieses „Projekt“ den Schülern nicht nur inhaltlich neues Wissen brachte, sondern auch oft interessant erschien, davon berichten Schüler in einer persönlichen Bilanz wie folgt: Eine Schülerin der Jahrgangsstufe 12 schrieb: „Ich persönlich fand es sehr interessant, mich mit dem Thema ´Luther als Antisemit´ auseinander zu setzen und ein Werk zum Thema zu erarbeiten. Wir hören meist nur von Luther dem Reformator und Stifter der evangelischen Konfession und vergessen dabei, wer Luther außerhalb der Konflikte um die katholische Kirche war. Auch finde ich es sehr wichtig, besonders jetzt, so kurz vor dem 500. Reformationstag, sich diese Aspekte Luthers vor Augen zu führen und darüber klar zu werden, dass selbst der Mensch, der von so vielen gelobt und gefeiert wird, seine negativen und von Vorurteilen geprägten Seiten und Ansichten hatte. Auch ist dies ein Thema, das niemand über diesen Menschen, und für viele Vorbild, vergessen sollte“.

Ein weiterer Kommentar einer Schülerin des Kunstkurses bringt vieles von den angestrebten Zielen des „Projekts“ auf den Punkt: „Luther ist oft Thema im Unterricht, in Gesprächen, in der Kirche und der Öffentlichkeit. Wir assoziieren ihn mit Reformation, mit Veränderung und vielen Dingen, die es vielleicht gar nicht gäbe, wenn Luther nie aufgetaucht wäre. Aber was wissen wir ansonsten schon über diese wichtige historische Figur? Sich im Unterricht – in Vorbereitung auf unser Kunstprojekt, in unserem Fall – mit den anderen Seiten Luthers auseinandersetzen, war neu und interessant […]. Diese Art von kritischer Auseinandersetzung mit einem Thema geht im Unterricht häufig verloren und zeigt neue Sichtweisen auf; man lernt vieles, das einem vorher nicht wirklich in den Sinn gekommen wäre. Gerade jetzt, im Jubiläumsjahr der Reformation, reden wir über Luther eher wie über einen ´Gott´; wir behandeln ihn als sei er perfekt, unfehlbar. Ein anderer Blickwinkel hilft, im Auge zu behalten, wer Luther tatsächlich war – ein Mensch“.

Die abgebildeten Arbeiten stammen (von oben nach unten) vom Carolina Berger, Simon Trieschmann, Jaqueline Koshorst.

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Ergänzung: Der Lutherische Antisemitismus wirkte lange nach. Vor einer Woche, am 28. April 2017 wurde in Berlin in der Topographie des Terrors eine Sonderausstellung  eröffnet, die bis zum 5. November 2017 zu sehen: „Überall Luthers Worte …” – Martin Luther im Nationalsozialismus

siehe auch:
„Homberg als Wiege der Reformation“ ?
Die SPD und die Reformation
Reformationsstadt: Die Schattenseiten der Reformation
Reformationsstadt Homberg: Wie tolerant waren die Reformatoren?
Reformation und „Das unerschrockenes Wort“

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