HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Freiraumstationen gegen Leerstand – teures Experiment

Foto: "Atomic Gauguin" im Glashaus in Borken, 19. August 2023
 

Glashaus Borken

Die HNA berichtete am 30. Dezember 2023 im Rahmen der Freiraumstationen in Borken über das Borkener Projekt "Glashaus". In der leerstehenden ehemaligen Gärtnerei Ochs hat der Verein "Sichtbar" im letzten Sommer eine vielseitiges Kulturprogramm  auf die Beine gestellt, das sich auch zu einem Treffpunkt von Kulturinteressierten im Kreis entwickelt hat. Die Initiative ging vom Schmiedehof in Nassenerfurt aus, einem Mitglied im Kulturnetzwerk Landrosinen.

Michael Pillkowsky und seine Frau haben gemeinsam mit 5 anderen Menschen den Verein "Sichtbar" gegründet, und werden mit diesem ab sofort das Kulturprojekt (ehemals KulturPur) unter neuem Namen und endlich auch mit angemessener Rechtsform weiterführen. Mit der Gründungsmitgliedin Miriam Leitner gemeinsam, haben wir uns auf eine Freiraumstation in Borken beworben und haben den Zuschlag für das Glashaus bekommen, welches im kommenden halben Jahr mit verschiedenen Angeboten aus Kunst und Kultur sowie mit Workshops und Vorträgen "bespielt" wird.   Quelle

Die Stadt Borken stellte als Stipendien finanzielle Mittel zur Verfügung. Der Verein als einer der Stipendiaten konnte auf Suche nach interessanten Künstlern gehen und diese auch finanzieren. In dem umfangreichen Programm für den Sommer waren nicht nur Künstler vertreten, auch gesellschaftliche Themen fanden hier Platz, wie zum Beispiel ein Bericht über den Einsatz von SeaWatch zur Rettung von Flüchtlingen oder ein Bericht über Gebärdensprache. Im Archiv des Vereins sind gut 50 Veranstaltungen dokumentiert. Der kleine, rührige Verein hat mit finanzieller Unterstützung der Stadt und breiter Berichterstattung in der Presse und im Fernsehen einen Sommer lang ein tolles Programm für die Region gestaltet.

Der Borkener Bürgermeister bewertete das Experiment positiv und stellt 30.000 Euro auch für 2024 zur Verfügung.

 

Freiraumstationen in Homberg

In dem HNA-Bericht steht allerdings nicht der Borkener Verein "Sichtbar" im Vordergrund, sondern die Homberger Unternehmerin der Firma Zukunftsoptimisten UG, die auf leerstehende Geschäftsräume aufmerksam machen will, damit dort zwischenzeitlich eine andere Nutzung stattfinden kann. Dazu wurden auch in Homberg Schaufenster mit bunten Streifen beklebt und zu Freiraumstationen erklärt. Mit diesen Aktionen sei sichtbar gemacht worden, dass die Räume leer stehen und das sie Potenzial haben.

Auf der Firmenseite "Zukunftsopimisten" heißt es: "Wir kommen, um etwas Lebendiges zu entwickeln, das bleibt." Auf der Seite werden unter Freiraumstationen Leerstände in Borken und Homberg dargestellt.

Alle Stationen werden mit "In Nutzung" bezeichnet. In Homberg sind zwei davon aber kein "Freiraum" mehr, sondern anderweitig vermietet.

1 – ehem. Lindy Store, Westheimer Straße 1    Kein Freiraum mehr, vermietet

     Aktionsfläche für Workshops, Begegnungen, Kommunikation, Digitalladen, Ausstellungen

2 – ehem. Schuh Schott, Untergasse 4-6

     Potenzialraum für Lesungen, Ausstellungen, Pop-up Galerien, Pop-up Küchen, offene Werkstätten

3 – ehem. Schuh Koch, Untergasse 14

     Entfaltungsraum für Projekte, Ausstellungen, Pop-Up-Stores, Kunst,  Kultur

4 – Wohnhaus Straßengabelung, Holzhäuser Str. 16

     Erlebnisräume für Begegnungen, Ausstellungen, Inszenierungen, Experimente, Präsentationen

5 – ehem. Tourist-Info, Marktplatz 19     Kein Freiraum mehr, vermietet

     Entfaltungsraum für Coworking, Digitalarbeit, Kreativität, Design, Gestaltung, Workshops

 
Vor Ort ist in Homberg zu sehen, was von den Beschreibungen und Potenzialen stimmt.

 
Die Stadt hat zwei ehemalige Ladengeschäfte – Schuh Koch und Schuh Schott – übernommen und trägt die Nebenkosten. Ob auch Miete an die Eigentümer gezahlt wird, ist nicht bekannt. Beide Räume bespielt die Stadt.
 

Ehemalig Schuh-Koch in der Untergasse

"Entfaltungsraum für Projekte, Ausstellungen, Pop-Up-Stores, Kunst,  Kultur"

Im "Kochs" wie es jetzt genannt wird, befindet sich ein größerer Raum, der für Ausstellungen genutzt werden kann. Im hinteren Bereich ist eine Mosaikwerkstatt eingerichtet worden, die anfänglich benutzt wurde, seitdem hört man davon nichts mehr. Es wird auch zu Bar-Abenden eingeladen. Wer diese Bar verantwortlich betreibt ist nicht ersichtlich, sie besteht auch nur aus zusammengeschraubten Paletten und einem Kühlschrank.
 

Ehemalig Schuh-Schott in der Untergasse

"Potenzialraum für Lesungen, Ausstellungen, Pop-up Galerien, Pop-up Küchen, offene Werkstätten"

Das ehemalige Schuhhaus Schott wurde in Machwerk umbenannt und mit teuren neu angeschafften Möbeln ausgestattet, die aus einem Förderprogramm für die Innenstadt finanziert wurden. Hier sollte eine Werkstatt Jugendliche ansprechen, kurzfristig war auch von einer Schneiderwerkstatt zu hören. Um die geförderten Investitionen der Stadt sinnvoll zu einzusetzen, wird der Raum jetzt für Vorträge genutzt, für die aufwändig mit jeweils dafür entworfenen Plakaten geworben wird. (siehe oben ehemalige Tourist-Info).
Die Stadtbücherei, die einmal am Marktplatz war, wurde schon vor Jahren in die Schule am Stadtrand verlegt. Jetzt stellen die Bibliothekare zu bestimmten Zeiten Kinderbücher in einer POP-UP-Bibliothek vor. Die letzte noch bestehende Buchhandlung gegenüber ist nicht eingebunden.
 

Ehemalige Tourist-Info am Marktplatz   Kein Freiraum mehr, vermietet

"Entfaltungsraum für Coworking, Digitalarbeit, Kreativität, Design, Gestaltung, Workshops"

Das alte kleine Haus am Marktplatz wurde im Rahmen des Förderprogramms Stadtumbau West für die das Touristikbüro  mit öffentlichen Mitteln umgebaut. Nach Ablauf der Bindungsfrist für die Fördermittel sollte das Büro in das ehemalige und gerade frisch renovierte "Deutsche Haus" am Marktplatz umziehen. Dazu kam es nicht, es gab auch keine Erklärung warum stattdessen ein Ladengeschäft auf der anderen Seite des Marktplatzes aufwändig umgebaut wurde, in das sich die Stadt einmietete, um das Touristik-Büro dort einzurichten.

Das ehemals geförderte Haus für die Tourist-Info stand damit leer. Die Fenster des  städtische Haus wurden von der Firma Zukunftsoptimisten mit bunten Streifen beklebt und so zu eine Freiraumstation erklärt. Es war städtisch geschaffener Leerstand.

Die Stadt hat das Gebäude inzwischen vermietet. Eingezogen ist ein Paar, die im Rahmen des Programms "Summer of Pioneers" für ein halbes Jahrs nach Homberg gekommen war. Sie haben darin ihr Büro eingerichtet, die Schaufenster sind mit Jalousien verschlossen, es wirkt nicht einladend.
Broschüren, Plakate und das Gestaltungskonzept für das neue Multifunktionshaus werden jetzt von der Stadt bei diesem Büro in Auftrag gegeben.
  

Wohnhaus Straßengabelung, Holzhäuser Str. 16

"Erlebnisräume für Begegnungen, Ausstellungen, Inszenierungen, Experimente, Präsentationen".

Foto: Freiraumstation Ecke Holzhäuser Straße / Untergasse

Diese Haus gehört mit der vorderen Hälfte der Stadt. Die Stadt hatte es einmal gekauft. Es sollte abgerissen werden, um Platz zu schaffen, damit Lastzüge für die Anlieferung des damals geplanten Einkaufszentrums Marktplatz Ost anfahren können. Dazu kam es nicht, das Haus steht leer.
Die Fenster wurden mit bunten Bändern beklebt und zur Freiraumstation erklärt. Die Bänder sind inzwischen entfernt. Hinter dem Schaufenster stehen noch immer die Bilder, die dort seit gut einem Jahr ausgestellt sind. Sonst tut sich nichts.

  

Ehemals Lindy Store, Westheimer Straße 1   Kein Freiraum mehr, vermietet

Aktionsfläche für Workshops, Begegnungen, Kommunikation, Digitalladen, Ausstellungen

In dem Ladengeschäft befindet sich jetzt ein Secondhand-Kleiderladen, der nur an wenigen Stunden in der Woche geöffnet ist.

 

FAZIT

Von den fünf Vorzeige-Ladengeschäften in Homberg sind nur noch drei "Freiraumstationen". Zwei sind anderweitig vermietet, ohne dass es auf der Webseite der "Zukunftsoptimisten" deutlich wird.

Diesen drei Freiraumstationen stehen eine immer größer gewordene Zahl leerer Ladengeschäfte gegenüber. Die Freiraumstationen können den wachsenden Leerstand nicht verdecken. Der Leerstand hat nach dem Bau und der Eröffnung des Einkaufszentrum zugenommen, wie schon vorher zu erwarten war.
Der temporäre Betrieb der Freiraumstationen wird mit öffentlichen Geldern der Stadt finanziert. Dazu kommen die Kosten für Beratung und Konzeptentwicklung für das Unternehmen Zukunftsoptimisten.

Über die Gesamtkosten der Finanzierung gab die Stadt bisher keine Auskunft. Es fehlt auch eine Bilanz des Experiments Freiraumstation, in das auch viel Arbeitskraft der städtischen Angestellen eingeflossen ist. So haben vor allem die Mitarbeiter des Bauhofs immer wieder aus- und eingeräumt.
 

Die Gesellschaft Zukunftsoptimisten UG

Auszug aus Handelsgegister über North Data

Die Firma Zukunftsoptimisten wurde am 31. März 2022 von Jörg Jessen und Katrin Hitziggrad gegründet und am 21. Juni 2022 in das Handelsregister Fritzlar eingetragen. Die Firma ist eine UG, also haftungsbeschränkt auf 2.000 Euro Haftungskapital. Am 21. Juni 2022 schied Jörg Jessen bereits wieder als Geschäftsführer aus, so dass von den Optimisten nur noch eine Optimistin übrig blieb. Die Ein-Personen-Gesellschaft beschreibt ihre Geschäftstätigkeit im Handelsregister so:

"Verwirklichung von Stadt- und Regionalentwicklungsprojekten, insbesondere durch Beratung, Erstellung von Konzeptionen einschließlich deren Umsetzung sowie die Moderation von Beteiligungsprozessen und Projektmanagement und die Erprobung von alternativen Wohn- und Lebensmodellen."

Die Gesellschaft bezieht ihre Einnahmen aus Beratung, Konzeptentwicklung und Moderation. Nach den Informationen auf den Webseiten der Firma und der Stadt Homberg ist sie vor allem im Auftrag der Stadt Homberg tätig. Hier hat sie auch am Marktplatz 9 ihren Firmensitz. Auf der Homepage der Stadt taucht der Name Hitziggrad 28-mal auf, zusammen mit anderen Projekten wie Wandelpfad, Gemeinschaftsgarten, Marktcampus. Der Suchbegriff Zukunftsoptimisten gibt 41 Ergebnisse auf städtischen Homepage.

In welcher Höhe die Leistungen der Zukunftsoptimistin von der Stadt vergütet werden, ist nicht bekannt. Im Haushaltsplan ist bisher keine Postion ersichtlich.  In Borken nannte der Bürgermeister 30.000 Euro für das Projekt Glashaus. Homberg könnte es gut tun, sich an Borken ein Beispiel zu nehmen.

 


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