HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Offener Brief an die Stadtverordneten zum Bürgerbegehren

Dirk Pfalz (SPD-Mitglied, langjähriger SPD-Stadtverordneter und Jurist) hat sich mit einem Offenen Brief an die Homberger Stadtverordneten gewandt und ruft zur Vernunft auf.

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Dirk-H. Pfalz, 28. August 2012

Offener Brief an die Damen und Herren der Stadtverordneten der Kreisstadt Homberg (Efze)

Sehr geehrte Damen und Herren,


das Bürgerbegehren ist für Homberg eine höchst wichtige Angelegenheit, die nicht auf dem "Altar der juristischen Meinungen" sterben darf.


Der Magistrat empfiehlt Ihnen, das Bürgerbegehren wegen formaler Fehler als unzulässig zurückzuweisen. Zur Begründung werden zwei juristische Meinungsäußerungen angeführt, die als "Gutachten" bezeichnet werden. Diese Qualität des juristischen Gutachtens haben beide Schreiben jedoch nicht, sie haben keine andere rechtliche Qualität, wie meine im "Homberger Hingucker" wiederholt veröffentliche Rechtsmeinung. Dies dürfte Ihnen bekannt sein, Sie können es aber auch noch einmal im Duden oder unter Wikipedia im Internet nachlesen.

Beide Juristen haben eine Frage in Sinne des Auftraggebers beantwortet, haben ein "Privatgutachten" als Stellungnahme abgegeben, die weder für eine Behörde noch weniger für ein Gericht bindend sind. Diese Aussage hat der Magistrat Ihnen gegenüber nicht gemacht, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen wäre. Er hätte klar zum Ausdruck bringen müssen, dass er den beiden Aussagen im Ergebnis folgen will, jede andere Meinung nicht als richtig geltend lassen will. Dies ist und wird ein Fehler bleiben.

Für Sie, sehr geehrte Damen und Herren, gilt der § 35Abs. 1 HGO. Er gewährt Ihnen die Unabhängigkeit Ihrer Entscheidung, frei von "Zwängen" Dritter, auch Ihrer Fraktion. Er fordert Sie aber auch, schließlich sollen Sie Ihre eigene Meinung in einer Abstimmung zum Ausdruck bringen.

Vorliegend geht es um die rechtliche Auslegung der § 8 b HGO. Sein Wortlaut ist eindeutig und so sehen dies auch alle Hessischen Verfassungsrichter, Verwaltungsrichter und letztlich alle Juristen. Gleichwohl gibt es in dem einen oder anderen Punkt Meinungsunterschiede. So spricht RA Blum von "hohen Anforderungen" an die Begründung des Begehrens. Der für die gerichtliche Würdigung zuständige Hess. Verwaltungsgerichtshof spricht in ständiger Rechtsprechung davon, dass die Anforderungen nicht überzogen werden dürfen. Das ist nach dem Wortlaut etwas ganz anderes, als es RA Blum behauptet. Ihm steht aber diese Meinung selbstverständlich frei, es ist seine Meinung.

Beide Fachjuristen bemühen die Zuordnung der Stellvertreter für ihre Argumentation. Sie, sehr geehrte Damen und Herren, müssen hier nur den Text des § 8b HGO lesen. Dort wird von einer Höchstzahl von Unterzeichnern gesprochen, dass Stellvertreter zu benennen sind, steht nicht im Gesetz. Sie namhaft zu machen, ist eine Empfehlung der "verfassungsrechtlichen Väter" dieser Gesetzesnorm. Diese sind auch für den Textentwurf verantwortlich, den der Hess. Landeswahlleiter veröffentlicht hat und der Grundlage unseres Begehrens ist. Dass wir durch Fachjuristen die formale und inhaltliche Richtigkeit der Unterschriftenliste vorab haben prüfen lassen, das können Sie als Fakt nehmen.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren, kennen nun zwei Meinungen, die eine für, die andere gegen das Begehren. Sie sollten sich für das "für" entscheiden und keine "Angst" vor der Drohung des Bürgermeisters mit § 63 Abs. 1 HGO haben. Er kann mit seinen "Parteijuristen" diese Meinung vertreten. Er wird diesen Weg aber nicht gehen, wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren, dem Willen der Bürger auf Durchführung des Bürgerbegehrens Rechnung tragen.

Sollte es wider meine Überzeugung dennoch formale Fehler im Begehren selbst sehen, steht Ihnen das Recht zu, diesen nicht die Bedeutung beizumessen, das Begehren hierdurch scheitern zu lassen. Hierzu bedarf es des Mehrheitsbeschlusses der Stadtverordnetenversammlung.

Ich freue mich über Ihre Stimme für die Vernunft und für das Begehren,

Ihr Dirk-H. Pfalz

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8 Kommentare zu “Offener Brief an die Stadtverordneten zum Bürgerbegehren”

  1. Heini Hingucker

    Danke Herr Pfalz !

    Wie oft hier im Hingucker seit Februar 2008 schon von freier Entscheidung geschrieben wurde und wie wenig die Homberger Stadtverordneten als Einzelperson erkennbar sind und danach handeln…..

    Manch unseliges ist in Deutschland nur entstanden weil Abgeordnete willfährig ihren Führern folgten.
    Auf allen politischen Ebenen.

  2. Buergerin66

    Den Appell kann ich voll und ganz unterstützen. Es ist enttäuschend, dass mit juristischen sehr fragwürdigen Beründungen ein demokratisches Grundrecht „abgeschmettert“ werden soll.
    Beide angeführten Formfehler sind bereits mehrfach als windiges juristisches Manöver entlarvt worden:
    1. Die Vertreterregelung ist analog der Vorlage des Landeswahlleiters gestaltet. Jeder, der Tabellen lesen kann, kann hier eine eindeutige Zuordnung erkennen. Darüber hinaus ist die Benennung von Vertretern gar nicht erforderlich. Erforderlich ist aber die Benennung von mindestens drei Vertrauensleuten. Diese Forderung ist erfüllt. Insofern ist der dargelegte Fehler „konstruiert“ und unbeachtlich.

    2. Die Kritik einer fehlenden Kostenregelung geht ebenso ins Leere, da beim Verzicht auf den Kauf tatsächlich keine Kosten entstehen. Ich nehme das Beispiel „Autokauf“ auf: Wenn ich beabsichtige, ein Auto zu kaufen, mich dann aber umentscheide und auf den Kauf verzichte, entstehen mir keine Kosten. Es sei denn, ich habe in Absicht des Autokaufs schon vorab eine Garage angemietet, die jetzt leer steht . Diese Kosten wären Kosten, die ich durch die Umentscheidung zu tragen hätte. Solche Kosten sind aber beim Kasernenkauf nicht entstanden. Daher machen die vorliegenden Gutachten auch schnell mal den „potenziell entgangenen Gewinn“ zu Kosten. Das grenzt schon ein wenig an Verdummung.

    Ich verstehe auch nicht die Angst vor einem Bürgerentscheid. Wenn sich die Kommunalpolitiker doch so sicher sind, dass der Kasernenankauf ein wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung ist, dann wird sich diese Ansicht auch in einem Bürgerentscheid niederschlagen, das heißt, die Bürger, werden stichhaltige Argumente nachvollziehen. Ein Schaden für die Stadt durch die Verzögerung kann vermieden werden, wenn der Bund weiter im Sinne der Stadt handelt. Insofern ist der Vertrag zwischen Bund und Solarinvestor erst einmal ein den Bürgerentscheid fördernder Akt. Er verschafft Zeit. Im Falle, dass der Bürgerentscheid für den Ankauf fällt, sind der Stadt dann keine Schäden durch den zeitlichen Verzug entstanden.

    Merkwürdig verhält sich die SPD. Eine dem Bürger doch sehr verpflichtete Partei, zudem Opposition im Stadtparlament, lässt sich offensichtlich durch die fragwürdigen Stellungnahmen und nicht durch Anstand, Gewissen und eigenes Denken in ihren Entscheidungen lenken. Mir völlig unverständlich ist, dass sie als Steigbügelhalter fungiert und das unwürdige Vorgehen unterstützt. Mit dem beabsichtigten Abstimmungs-Verhalten entlastet sie die eigentlichen Akteure. Warum bürdet sie nicht denjenigen die Entscheidung gegen die Bürger auf, die sie initiiert haben? Warum stimmt sie nicht für den Bürgerentscheid und überlässt dem Bürgermeister die dann mögliche Anlehnung?

    Aber ganz habe ich meine Hoffnung noch nicht aufgegeben. Der 30.08. ist jedenfalls mehr als ein gewöhnlicher Stadtverordnetenversammlungstag. Hier zeigt sich, wie weit demokratische Verständnis bereits degeneriert ist und ob das Prädikat „Volksverteter“ noch Anwendung finden darf.
    Jeder Stadtverordneten wird mit Sicherheit noch sehr lange mit seinem persönlichen Abstimmungsverhalten konfrontiert und identifiziert werden. Die Entschuldigung „Man konnte nicht anders entscheiden“ führte schon Pontius Pilatus an. Die Geschichte hat längstens über ihn gerichtet.

    Ich wünsche mir ein Abstimmungsergebnis, das durch persönliches Gewissen und eigenes Denken und nicht durch Parteidisziplin bestimmt wird.
    Es ist keine Entscheidung über den Kasernenankauf, es ist eine Entscheidung, ob man dem Bürger sein demokratisch Recht der Mitbestimmung verwehren oder einräumen möchte.

  3. Volksvertreter

    Hallo, Bürgerinn66, das ist doch klar:

    Ein Staubsaugervertreter verkauft Staubsauger,
    ein Volksvertreter verkauft…

  4. Guck mal

    Zu 2.

    Die SPD ist in HR schon lange keine Oppositionspartei mehr.
    Es besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was diese Partei in ihrem Programm will und dem, was ihre Vertreter hier in der Stadt zeigen.

  5. Thomas Pippert

    Sehr geehrter Herr Pfalz,

    herzlichen Dank für Ihren offenen Brief und Ihr Engagement beim Bürgerbegehren.

    Manchmal frage ich mich, wie Sie sich im Moment in Ihrer SPD fühlen müssen?

    Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie vielleicht der einzige Genosse sind, der die Worte eines großen Sozialdemokraten, langjährigen Vorsitzenden der SPD und vierten Bundeskanzler Deutschlands, richtig verstanden hat.

    Willy Brandt hat am 28.10.1969 die Worte gefunden, die für unser kleines Homberg aktueller denn je sind.

    „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ sagte er und „Wir sind keine Erwählten; wir sind Gewählte“.

    Diese zwei Sätze sollten alle Stadtverordneten im Hinterkopf haben, wenn Sie über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden. Ganz gleich welcher Partei sie angehören oder welche Position sie inne haben.

    In dieser Stadtverordnetenversammlung wird sich entscheiden, welches Verständnis Homberg von Demokratie hat. Wollen wir mehr Demokratie wagen, oder wollen wir zur Lachnummer von Schwalm und Eder werden?

    Ich wünsche mir eine faire, unvoreingenommene Diskussion und Entscheidung, zum Wohle der Homberger Bürger und zur Ehre unserer Demokratie.

  6. Demokrat

    Die SPD Fraktion hat eine Presserklärung abgegeben.

    Darin heißt es u. a.
    „Die Homberger SPD-Fraktion befürwortet die Durchführung eines Bürgerentscheides zum Ka- sernenankauf.
    …….
    Sollte es machbar sein, wird die SPD für ein Bürgerbegehren stimmen.
    ……
    Am Besten geschieht dies durch einen Bürgerentscheid sowie durch eine frühzeitige, umfassende Informationspolitik.
    ……
    Hierfür wird sich die SPD Fraktion einsetzen.“

    Sehr geehrter Herr Gerlach !

    Wenn dem so ist, dann kann die SPD Fraktion ja reinen Herzens und Gewissens „JA“ zum Bürgerbegehren sagen.

    Denn ein „Ja“ hat keinerlei Folgen für die Abgeordneten.

    Damit würden sie nur den Worten folgen die sie so „edel“ in der Pressemitteilung schwingen.

    Lediglich der Bürgermeister ist dann zum Handeln gezwungen.

    Sollte sie das Bürgerbegehren nunmehr doch ablehnen, wird erkennbar was hinter diesen Worten in der Presseerklärung steht.

    Taktik und der Versuch sich rein zu Waschen von aller Schuld.

    Ob dies ihrem Ansehen, dem der SPD Abgeordneten und der Homberger SPD dient?

    Denn im Gegensatz zu den üblichen Erinnerungsschwächen der Wähler:
    DAS „NEIN“ wird man ihnen dann nachtragen.
    Sowohl bei einer möglichen Bürgermeisterkandidatur als auch bei der nächsten Kommunalwahl.

    Ein „Ja“ jedoch wird ihnen eine Menge Stimmen bringen, sie damit wieder zu einer Partei mit eigener Meinung machen.

  7. Eckbert Siebert

    Was ist in Homberg geschehen?
    Die BI Bürgerbegehren hat erreicht, daß 2.100 Bürger zum Kasernenkauf gefragt werden wollen. Geht man davon aus, daß 55% der Wähler zur Wahl gehen, haben ca. 40% der Bürger sich für ein Bürgerbegehren ausgesprochen. Welch eine Zahl!
    Der BMW versucht nun mit allen Mitteln das Bürgerbegehren zu verhindern. Die Meinung der Bürger interessiert ihn offensichtlich nicht. Welch ein Bürgermeister!
    Die Stadtverordnetenversammlung kann heute am 30.August 2012 sehr wohl für ein Bürgerbegehren stimmen. Das ist rechtlich unbestritten. Der Büprgermeister kann dann nach der HGO gegen diesen Beschluß Klage erheben. Sollte die Stadtverordnetenversammlung dagegen das Bürgerbegehren ablehnen, hätte Sie (insbesondere die SPD) den Wunsch der Bürger glatt ignoriert und demokratische Rechte ausgehebelt.
    Was dann? Die BI Bürgerbegehren müßte nun ihrerseits klagen um die Bürger weiter zu unterstützen. Dieser Weg ist langwierig und sehr kostenintensiv. Der Bürgermeister läßt zu diesem Vorgang verlauten: Wenn die BI Bürgerbegehren d.h. die Vertrauensleute Fischer, Mittendorf, Siebert klagen, liegt das Prozeßrisiko allein bei diesen 3 Personen. Und außerdem müssen Sie notfalls sogar mit Ihrem Privatvermögen für die Kosten haften. Können „die“ das überhaupt?
    Jetzt kann man auch das Interesse des Bürgermeisters verstehen (wenn man will) warum die Stadtverordnetenversammlung das Büprgerbegehren ablehnen soll. Hierzu ist ihm jedes Mittel recht.Offensichtlich hat der Bürgermeister Angst vor einem Bürgerentscheid!
    Aber es geht auch anders: In einer hessischen Kleinstadt hat der Bürgermeister gegen einen Beschluß der Stadtverordnetenversammlung Klage eingereicht. Gleichzeitig hat er der Stadtverordnetenversammlung versichert, daß bis zur endgültigen Entscheidung durch das Gericht, der gesamte Vorgang „ruht.“ Welch ein Bürgermeister!

    Warten wir die Entscheidung heute abend erst mal ab. Ich glaube immer bis zuletzt an das „Gute“.

  8. BI BESSER WASSER

    Sehr geehrter Herr Pfalz,

    solche „Gutachten“ sind bei nordhessischen Kommunen momentan anscheinend groß in Mode.
    Mit einem ganz ähnlichen Schriftstück, verfasst vom Hessischen Städte- und Gemeindebund e. V., versucht man in Edermünde ebenfalls, ein Bürgerbegehren „abzuschmettern“:

    https://www.besser-wasser.info/images/stories/pdf/2012-08-08_bibw_gem_edm_hsgb_ev_2012-07-31.pdf

    In Edermünde spielt sich ein vergleichbares Drama ab, wie in Homberg. Der Beschluss, mit dem ein Bürgerentscheid über die Trinkwasserversorgung unseres Ortsteiles Besse verhindert werden soll, wird für die öffentliche Sitzung der Gemeindevertretung am Montag, 10. September, 19:30 Uhr erwartet. Das Trauerspiel wird sich abspielen in der Mehrzweckhalle in Edermünde-Besse (treffenderweise: Friedhofstraße 17).

    Zur Information unserer Gemeindevertreter würden wir gern einige Passagen Ihres Briefes verwenden, wir bitten um Ihre Erlaubnis hierzu.

    Mit herzlichen Grüßen,
    auch im Namen vieler frustrierter Edermünder an viele frustrierte Homberger,

    Bürgerinitiative BESSER WASSER
    Stephan Klüttermann (Sprecher)

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